„La Sylphide” – Die preisgekrönte Ballett-Produktion von Peter Schaufuss jetzt in Leipzig (Babette Dieterich)

La Sylphide
Romantisches Ballett in zwei Akten nach August Bournonville
Musik von Herman von L?venskjold, bearbeitet von Ole N?rlyng
Preisgekrönte Produktion von Peter Schaufuss
Premiere: 10. Februar 2005, Oper Leipzig

Foto: Andreas Birkgit

Schottisch kleinkariert

Jetzt ist die Schaufuss-Produktion auch in Leipzig angekommen. 1979 debütierte Peter Schaufuss als Choreograph mit der Neufassung von La Sylphide beim London Festival Ballet. Seitdem studierte er diesen Klassiker des romantischen Balletts u.a. in Marseille, Stuttgart, Berlin, Wien, Zürich, Rom und Kopenhagen ein. Der Erfolg überrascht, wenn man sich diese antiquiert wirkende Inszenierung besieht, aufgeführt in der Originalausstattung der Peter Schaufuss Ballette (Bühne und Kostüme: David Walker, Lichtdesign: Steen Bjarke). Ist Romantik nur auf anachronistische Weise herzustellen?

Wer ein modernes Ballett auf puristischer Bühne erwartet, oder sich eine Experimentierfreude im Geiste von Uwe Scholz erhofft, wird sehr enttäuscht. Das trutzige Mobiliar der schottischen Burg im ersten Akt und der Märchenwald im zweiten wirken wie aus dem vorletzten Jahrhundert. Rittersaal mit Hirschgeweihen, kleinkarierte Schottenröcke bei den Herren, brav geschnürte dirndlartige Kleider bei den Damen, die Sylphiden tanzen im klassisch langen Tutu, das keusch die Knie bedeckt. Selbstverständlich dürfen die Flügelchen nicht fehlen. Das ist brav, nett, das tut nicht weh, und wird Klein-Lotti aus Klein-Paris bestimmt gefallen. Leider sucht man vergebens die im Journal der Oper Leipzig angekündigte Umdeutung des romantischen Balletts „in eine heutige – nicht weniger romantische – Sicht“.

Ebenso vergeblich sucht man den an gleicher Stelle angekündigten „charmanten Humor“ in der Choreographie von Peter Schaufuss, wenn man einmal davon absieht, dass die Sylphide nach ihrem ersten Auftritt im Kamin verschwindet. Das sorgt tatsächlich für Lacher. Überzeugend sind dagegen die Tänzer, allen voran Giovanni Di Palma als James und Oksana Kulchytska als La Sylphide. Beeindruckend ist bei Di Palma seine Sprungtechnik und die große Bühnenpräsenz, selbst wenn er nur zuschauend, ohne Bewegung, anwesend ist. Oksana Kulchytska verleiht ihrer Sylphide eine große Grazilität und verkörpert perfekt jenes unnahbare Wunschgeschöpf der Romantik. Sie brilliert im Spitzentanz, ist aber auch schauspielerisch überzeugend in ihrer Sterbeszene. Alla Bykanova gibt eine lebhafte Effie, Mohamed Youssry einen markigen Gurn. Christoph Böhm verkörpert ausdrucksstark die Hexe Magde, eine Rolle, die ganz dem romantischen Ballett entsprechend eher als Pantomimen- denn als Tanzrolle angelegt ist.

Damit wären wir bei einer weiteren verpassten Chance, dieses romantische Ballett in ein zeitgemäßeres Gewand zu kleiden. Typisch für das romantische Ballett sind neben dem reinen Tanz die pantomimischen Gesten, die mit ihrer wortlosen Sprache die Handlung vorantreiben. Doch die Sprache der Gesten ist einem permanenten Wandel unterworfen. Warum wird in dieser Inszenierung mit den plattesten Herz-Schmerz-Gesten gearbeitet, wie man sie aus Stummfilmzeiten kennt? Warum müssen die Hexen im zweiten Akt wild herumfuchteln und sich damit lächerlich machen? Kann man Christoph Böhm, dem es gelingt, der Hexe Magde trotz des albernen Gestikulierens noch eine gewisse Würde zu verleihen, nicht ein paar zeitgemäßere Gesten gönnen? So kann man sich als Zuschauer nur die Haare raufen und ans Herz greifen. Und gelegentlich die Augen schließen und der Musik lauschen. Golo Berg dirigiert das Gewandhausorchester mit exakten Bewegungen und versucht, der teilweise seichten, ins liebliche abgleitenden Musik eine Dramatik und Spannung einzuhauchen. Was auch gelingt.

(Babette Dieterich)

Weitere Vorstellungen: 25.3., 3.4., 17.4., 22.4.2005

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