Christoph Hein liest aus seinem neuen Roman „In seiner frühen Kindheit ein Garten” (Madeleine Rau)

Lesung
In seiner frühen Kindheit ein Garten
Roman von Christoph Hein
Suhrkamp, Frankfurt a.M. 2005
Moritzbastei Leipzig, 14.02.2005


Deutsche Geschichte literarisch aufgewärmt
Ungeklärter Terroristentod dient als Romanvorlage
und bleibt ungeklärt

Die Muse ist ein eigenwilliges Wesen und küsst nicht jeden Künstler. Als Christoph Hein seinen neuen Roman In seiner frühen Kindheit ein Garten schrieb, war sie krank oder hatte Urlaub.

Der Geschichte liegt einer der größten innenpolitischen Skandale Deutschlands zu Grunde. 1993 kam Wolfgang Grams – gesuchter RAF-Terrorist – bei einem Schusswechsel mit der Grenzpolizei auf dem Bahnhof in Bad Kleinen ums Leben. Die Gerichte entschieden, dass der Fall nicht zu klären ist, da weder Selbsttäterschaft noch Fremdtäterschaft auszuschließen seien. Während des Verfahrens logen Beamte, trat ein Minister zurück, Beweismaterial verschwand. Die tatsächlichen Umstände des Todes waren zur Unkenntlichkeit verzerrt.

Christoph Heins Roman dokumentiert nun fast zwölf Jahre nach dem Medienereignis das Geschehen erneut. Im Zentrum steht der Vater des Toten, der sich mit dem Urteil nicht abfinden kann und will. Ein Vater, der keine Ruhe findet, bevor die Umstände des Todes nicht geklärt worden sind.

„Ich möchte mit jeder Arbeit etwas Neues machen“, erklärte Hein seine literarische Umsetzung gestern beim Gespräch im Radio-Café in der Leipziger Moritzbastei. Sein knapp 300 Seiten langes Gähnstück ist jedoch überladen mit verstaubter aktentrockener Realität. Die schriftstellerische Eigenleistung wohnt in enger Nachbarschaft zur Nullmarke. Schmucklos formuliert schleppen sich Zeugenaussagen, Widerrufe, Obduktionsergebnisse, Pressemeldungen von Seite zu Seite. Einzig die Personennamen und die Familie von Wolfgang Grams sind frei erfunden. Moralisierend wirken die Dialoge in Kindergartensprache der Hinterbliebenen. Hein erfindet gar Schwester und Bruder für den Verstorbenen. Bravo. Eine lauwarme Suppe von Fiktion und wahrer Begebenheit.

Der Autor habe ein halbes Jahr die Zeitungsberichte und Prozessordner studiert, die Arbeit am Roman dann abgebrochen, weil „ich keinen Dokumentarbericht geben wollte.“ Jetzt liegt ein halbdokumentarischer vor, dessen Sinn sich nicht einmal zwischen den Zeilen ergibt. Kritik am Rechtsstaat? „Ich bin kein Ankläger und kein Richter. Ich schreibe ja nur“, eiert Hein herum, wenn er erklären soll, warum er diesen Fall zum Romanstoff gewählt habe.

„Ich glaube, der Roman wird viel Wirbel machen“, sagt er schließlich. Hein bezeichnet sich selbst als Humorist. Vielleicht nimmt er das Publikum auf die Schippe, und der Witz des Romans ist erst beim zweiten Lesen ersichtlich.

(Madeleine Rau)

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