Wie der Peer die Bärbel steinbrückt: „Jahreshauptversammlung meiner Ich-AG. Rettungsreime” von Fritz Eckenga (Steffen Lehmann)

Fritz Eckenga
Jahreshauptversammlung meiner Ich-AG. Rettungsreime
Verlag Antje Kunstmann, München, 2005
gebunden, 152 Seiten, 9,90 Euro


Die große Redenschlachtenplatte

Ganz gleich, wohin ich derzeit seh‘ / ich seh den Tod des BVB / Ob Wirtschaftsteil, ob Feuilleton / ob tief ins Glas, ob Stadion / ob Aktienkurs, Tabellenplatz / ob Handelsblatt, ob Kaffeesatz / wo immer mein Auge blickt / wird B’russia in das Grab geschickt. Es dürften schwere Zeiten für Fritz Eckenga sein. Die Stimme des Ruhrgebietes muss ansehen, wie sein Fußball-Verein Borussia Dortmund nicht mehr nur kurz vor dem Abgrund, sondern eigentlich schon darüber steht. Aber ein richtiger Fan lässt sich davon nicht beirren. 80 Prozent falle zu Dortmund nur Borussia ein – und sonst nichts, so Eckenga jüngst in der Süddeutschen Zeitung.

Zumindest bei Eckenga ist die Sache doch etwas anders geartet. Schon mit seinem Erstling Draußen hängt die Welt in Fetzen, lass uns drinnen Speck ansetzen bewies er ein unfehlbares Gespür für Stimmungen der Zeit, die er mit Charme und Poesie zu meisterhaften „Rettungsreimen“ verknüpfte. Die Zeiten sind seit 2002, als die ersten Reime erschienen, nicht beschaulicher geworden. Neue Wortungetüme haben sich der deutschen Sprache bemächtigt. Ich-AG, Dosenpfanddebatte, Ein-Euro-Job, Hartz I bis IV. Da ist es nur ein geringer Trost, wenn die Gesellschaft für deutsche Sprache, alljährlich besonders katastrophale Schöpfungen entlarvt oder eine Jury Habseligkeiten als das schönste deutsche Wort kürt. Der Wahnsinn hat Methode und verlangt drastische Maßnahmen. Dessen beherzigt sich Eckenga.

Seine Reime lassen sich grob zwischen den Koordinaten Politik, Sport und Familie einordnen. Dazwischen finden sich viele bezaubernde Wortschöpfungen. Großartig ist „Der Untergang des Hauses Merkel“. Da gibt es den Merz, den keiner rief und natürlich die Angela – Licht des trüben Ostens. Hier wird die politische Klasse mit wenigen Versen förmlich seziert. Oder „Die unromantische Geschichte von Bärbel (Höhn) und Peer (Steinbrück)“. Eine schöne Vorstellung, wenn der Sozi Steinbrück seine grüne Hassliebe Bärbel Höhn mal richtig „steinbrückt“. Auch für den Schulden-gebeutelten Finanzminister Eichel hat Eckenga ein offenes Ohr. Nimm den Bügel aus der Jacke!/ Hau doch einmal auf die Kacke! Genau.

Einen Höhepunkt erreicht das Buch auf Seite 55. Die „Generaldebatte im Bundestag“ gehört auf jedes Abgeordnetenpult im Hohen Haus. Ausnahmslos. Heute Generaldebatte / heute wird das Wort entbeint / große Redenschlachtenplatte / alle Fleischer sind vereint. Wohl an, dass das Gesetz für Vokale meucheln und Konsonanten keulen keine Strafen vorsieht. Eckenga lässt keine Schandtat der Politiker ungesühnt. Ironie ist das Pflaster, mit dem er auch die gröbsten Vergehen heilt. Auch außenpolitisch hat Eckenga einiges mitzuteilen. Seit dem zweiten Amtsantritt von George Bush im Januar wissen wir: Die Trommel der Freiheit macht keine Pause. Eckenga empfiehlt daher unbotmäßigen Diktatoren den Griff zum Deodorant. Denn, die Achsel des Bösen stinkt nach Schweiß.

Seinen Reimen hat Eckenga eine Entschuldigung vorangestellt. Lanzen für die Lyrik wolle er brechen und sich ausschließlich dem Schönen widmen. Dieses bescheidene Anliegen, das gilt es zu konstatieren, ist ihm geglückt. Zur Leipziger Buchmesse stellt Eckenga seine neuen Reime persönlich vor. Am 19. März liest er im Café Grundmann (20 Uhr) und einen Tag später sitzt er auf dem Blauen Sofa auf der Neuen Messe.

(Steffen Lehmann)

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