Warten auf das Ende: Samuel Becketts „Endspiel” (Daniel Pickarski)

Endspiel
von Samuel Beckett
Regie: Markus Dietz
Bühne und Kostüme: Mayke Hegger
Es spielen: Friedhelm Eberle, Stefan Kaminsky
Schauspielhaus Leipzig, Theater hinterm Eisernen
Premiere: 27. Februar 2005


Jedes Spiel hat einmal ein Ende

Betritt man den Ort, an dem Alles zu Ende geht, durch einen einladend hell erleuchteten Haupteingang? Wer in diesen Tagen im Theater hinterm Eisernen Samuel Becketts 1957 vollendetes Stück Endspiel sieht, dem kann es so ergehen. Im Palast der Schauspieler in der Bosestraße lässt man sich nicht im Hauptsaal nieder, man wird lediglich an ihm vorbeigeführt direkt ins Loch des Theaters. Im schwarzen Rachen nimmt man Platz – schmucklos und kahl ausgestattet von Mayke Hegger. Erschreckend hoch blickt man von unten auf einen überdimensionalen, alles erdrückenden vermeintlichen Fahrstuhl.

Hamm (gespielt von Friedhelm Eberle), eine der Figuren sitzt auch schon da und pennt. Im Pelzmantel und Sonnenbrille sieht er aus wie einer, der durchs Leben gegangen ist. Jetzt, alt und müde, hat der Mantel nur noch wärmende Funktion, die Brille ist längst Blindenbrille, der Stuhl auf dem er sitzt, hat nicht umsonst Rollen. Seine Eltern Nagg und Nell leben beinamputiert in Mülltonnen im Hintergrund der Szenerie.

Das Stück beginnt. Die offene Metallwand, durch die man den Raum betreten hat, wird geschlossen. Das Elend, an dem man die nächsten anderthalb Stunden teilhaben darf, ist damit hermetisch abgetrennt vom Rest der Welt. Überhaupt ist das Stück stark vom Erleben des Raumes geprägt, in welchem man dahinvegetierend das Los der Protagonisten teilt.

Clov (gespielt von Stefan Kaminsky) betritt die Szene. Er, der selbst nur mühsam gehen kann, versorgt Hamm, ist sein Diener. Hamm wiederum hat alleinigen Zugriff auf den Speiseschrank. So verfestigt sich eine gegenseitige Abhängigkeit, die jedoch permanent durch die angedrohte Flucht von Clov bedroht ist. Die zwei hocken in einem mit Granulat ausgestreuten schwarzen Loch und vertreiben sich die Zeit mit schnittigen Dialogen und sinnfreien Unternehmungen. Die Kontaktaufnahme dieser letzten Menschen zur anderen Hölle draußen, gehalten durch die im Auftrag Hamms von Clov durchgeführten Sichtungen mit einem Fernglas durchs Fenster, bleibt folgenlos. Dafür hat man genügend Zeit, das eindringlich körperliche Spiel von Stefan Kaminsky zu beobachten, dessen Körper bei konstant bleibender Peinigung gar nicht mehr aufhört, Luft in sich zu pumpen. Sie warten. Aber nicht wie in Warten auf Godot auf das Nichts, sondern auf das Ende.

Beckett macht es einem nicht leicht, das Endspiel zu verstehen. Im Gegenteil, man hat das Gefühl, er macht sich über einen lustig, wenn man versucht, einen Sinn in die einzelnen Handlungen zu stecken, wo doch nur Schau-Spiel zu sehen ist. Letzlich ist es eben nur ein Spiel, zerissen in einzelne Szenen, die gespielt im Angesicht des sicheren Endes der Personen für sich stehen. Ein Nichts in komplexer Vielgestalt voller Rätsel und ohne Lösungen. Sinnhafte, ernste Konstruktionen überlässt Beckett nach eigener Aussage lieber Universitäten und Kirchen.

Letztlich ist das Stück zu Ende. Und siehe da, im Applaus der Zuschauer können Friedhelm Eberle und Stefan Kaminsky doch wieder gehen und sehen – alles halb so schlimm. Spitzfindige, im rationalen Denken verhaftete Menschen könnten daraus schließen, dass auch dem Rest des Abends bloß ein Schauspiel zugrunde lag.


(Daniel Pickarski)


Weitere Aufführungen: 29. März, sowie 6., 17., 26. April 2005, jeweils um 20 Uhr

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