Bewegender Auftakt

David Timm als neuer Universitätsmusikdirektor mit Bachs „Matthäus-Passion“

Die Peterskirche ist bis auf den letzten Platz besetzt, als David Timm mit sicherer Geste den Auftakt gibt für die Matthäus-Passion. Die Zuhörer erwartet drei Stunden ergreifender Musik, eine stimmige Interpretation dieses großen Passionswerkes, gesungen vom Leipziger Universitätschor, Solisten und musiziert auf historischen Instrumenten vom Leipziger Barockorchester und Pauliner Barockensemble. Mit diesem Konzert gibt David Timm seinen Einstand als Universitätsmusikdirektor und überzeugt einmal mehr als ein feinfühliger, intelligenter und präziser Musiker.

Die doppelchörigen Passagen sind durchweg durchsichtig und sogar im Text klar verständlich. Dabei überzeugt der Chor durch eine große dynamische Bandbreite. Verhalten erklingt der Eingangschor „Kommt, ihr Töchter, helft mir klagen!“, gehässig und dynamisch die Einwürfe des Chores in der Funktion des Volkes, das Christus verspottet. Besänftigend und in stiller Trauer fließen die Klänge des Schlusschores „Wir setzen uns mit Tränen nieder“. Überraschend, wie viel Frische und inhaltliche Tiefe David Timm den Chorälen abgewinnt, die er zumeist in flüssigem Tempo dirigiert.

Der Klarheit des Chorklanges stehen die Instrumentalisten nicht nach. Hervorzuheben sind vor allem einige Musiker, die sich in den Arien solistisch hervortun: Wolfgang Kube und Anette Spehr an den Oboen, Thomas Fritzsch an der Viola da gamba und Konstanze Beyer und Daniel Deuter an den Violinen. Das Spiel der Barockmusiker auf den historischen Instrumenten ist fern von neo-barocken Manierismen. Hier wird mit Leib und Seele musiziert und nicht gekünstelt.

Bei den Gesangssolisten des heutigen Abends überzeugen vor allem die Männer, allen voran Martin Petzold, der einen wortgewaltigen Evangelisten singt. Lautmalerisch kostet er die Worte aus, man sieht förmlich das Geschehen, wenn die Knechte Christus „anspeien“. In den Arien klingt seine Stimme entspannt, nimmt die Koloraturen mit großer Leichtigkeit. Thomas Oertel-Gormanns singt einen sonoren Christus, die Stimme füllt den Kirchenraum mit Tiefe, ohne mulmig zu werden. Diese Strahlkraft im tiefen Register fehlt dem Bassisten Gotthold Schwarz ein wenig, der neben diversen „Nebenrollen“ die Bassarien singt. Doch in der Mittel- und höheren Lage entfaltet seine Stimme eine große Kraft und Brillanz. Brillant klingt auch die Sopranistin des Abends, Antje Perscholka, jedoch nur in der hohen Lage. Sobald sie ins tiefere Register wechselt, geht ihre blühende Stimme im Orchesterklang unter. Auf Sparflamme scheint Klaudia Zeiner, die Altistin des Abends, zu singen. Ihre Stimme kommt über ein Mezzoforte selten hinaus und klingt anfangs wie gedämpft. Erst nach der langen, schwierigen Arie „Erbarme dich“ wagt die Sängerin, etwas mehr aus sich herauszugehen. Natürlich ist bei einem so langen Werk eine gewisse Ökonomie der Kräfte vonnöten, dennoch wäre bei den weiblichen Solisten etwas mehr Ausdruckskraft wünschenswert gewesen.Johann Sebastian Bach
Matthäus-Passion

Leipziger Universitätschor
Leipziger Barockorchester, Pauliner Barockensemble (auf historischen Instrumenten)
Antje Perscholka, Sopran
Klaudia Zeiner, Alt
Martin Petzold, Tenor (Evangelist, Arien)
Gotthold Schwarz, Bass (Judas, Hoherpriester, Pilatus, Arien)
Thomas Oertel-Gormanns, Bass (Christus)
Chorsoli
Leitung: Universitätsmusikdirektor David Timm

22. März 2005, Peterskirche

Bild: David Timm dirigiert

jazzduo-timm-brockelt.de

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