Neues im Alten oder Altes im Neuen?

Der dritte Sende(r)musik-Abend mit dem Auryn-Quartett im MDR-Studio

„Ich werde mein Gelübde nicht brechen und versuchen, (meine) Musik zu erklären“, so Ib Hausmann auf die Bitte der den heutigen Abend moderierenden Meret Forster, doch mal etwas über die Entstehung seiner Kompositionen zu erzählen. Auch mit Matthias Lingenfelder vom Auryn-Quartett kam die von der Moderation gewollte Diskussion über moderne Musik nicht so richtig in Gang, Suggestivfragen wie „Sehen Sie Unterschiede bei der Interpretation Alter und moderner Musik?“ ließ Lingenfelder mit den Worten „Wir sind neugierig und sehen die Neue Musik immer wieder als Bereicherung im Umgang mit dem musikalischen Erbe“ charmant an sich abperlen. Neugierig sein, oder mit den Worten Hausmanns: „Die Lust, Grenzen zu erfahren und zu überwinden“ dieser sympathische Ansatz, sich mit Musik zu beschäftigen, sie zu erfinden, ist bisher leider nur wenig in der Praxis der Aufführung angekommen.

Die Aneinanderreihung der sechs Stücke am Abend in klassischer Manier passiv sitzend, fast zwei Stunden lang, kann ohne Zweifel als anspruchsvoll bezeichnet werden. Die wenig assoziative Musik überfordert letztendlich das Erinnerungsvermögen, so dass sich am Ende alles Gehörte zu einem Klangkosmos zusammenzieht. Allenfalls die Komposition von Matthias Pintscher kann sich durch ihre emotionalen Momente vom indifferenten Gesamteindruck abheben. Pintscher, 1971 geboren, demonstriert eine Haltung, welche sich gegen strukturalistische, serielle Strömungen stellt. Bewusst wird im traditionellen Sinne musikalischer Ausdruck gesucht. In seiner dichten Komposition kontrastieren sehr dunkle mit gleißend hellen Motiven. Ein sehr rhythmisches Motiv hält das Stück zusammen, dabei hat das Cello zentrale Bedeutung.

Die beiden Kompositionen Ib Hausmanns scheinen wie gefrorene Zwischenzustände eines Improvisationsprozesses. Die Klarinette in transzendenter Ruhe oder in schrillen und dunklen Ausbrüchen induziert in „Fünfst“ die Aktionen für das exzellent agierende Auryn-Quartett. Auch in „Herbstlied“ von Tohio Hosokawa führt die Klarinette. Im Gegensatz zu Hausmanns folienhaft montierter Struktur ist der Ansatz bei Hosokawa eher räumlich. Die weichen Linien projizieren einen transzendenten Raumes, in dem sich die zum Teil sehr leise Musik des Japaners ein- und ausschwingen kann.

Thema in Holligers „Duo für Violine und Violoncello“ ist ein ambivalentes Spiel sich entfernender und wieder annähernder Bewegungen. Während sich im ersten Satz die beiden Stimmen in melodischen Bögen umeinander bewegen, oszillieren Violine und Cello im zweiten Satz wie in einer Art Endlosschleife, in der Entwicklungen durch minimale Verschiebungen entsehen, irgendwann ist dann wieder der Anfangspunkt erreicht.
Mit dem „Streichquartett Nr. 2“ von György Ligeti endet das Programm. Diese vor fast 40 Jahren entstandene Komposition stellt sich thematisch und farblich selbstbewusst neben die zum Teil erst jüngst entstandenen Werke des heutigen Abend, womit sich die Diskussion des Abends auf wohltuende Weise schließt: Neues im Alten oder Altes im Neuen, diese ewige Frage löst sich beim Umgang mit der Musik wie von selbst auf.

3. Sende(r)musik

Ib Hausmann ( geb. 1963 )
„Fünfst“ für Klarinette und Streichquartett

Heinz Holliger ( geb. 1939 )
Duo für Violine und Violoncello
I. ohne Bezeichnung – (attacca)
II. ohne Bezeichnung

Matthias Pintscher ( geb. 1971 )
4° Quartetto d’Archi „Ritratto di Gesualdo“

Pause

Tohio Hosokawa ( geb. 1955 )
„Herbstlied“ für Klarinette und Streichquartett

Ib Hausmann
„Ohnung“ für Klarinette solo

György Ligeti ( geb. 1923 )
Streichquartett Nr. 2
I. Allegro nervoso
II. Sostenuto, molto calmo
III. Come un meccanismo di precisione
IV. Presto furioso, brutale, tumultuoso
V. Allegro con delicatezza – stets sehr mild

Auryn-Quartett
Ib Hausmann, Klarinette

Moderation: Meret Forster

Dienstag, 19. 4. 05, 20.00 Uhr, MDR-Studio am Augustusplatz

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