Sündenfälle
Internationale Varietéshow
Krystallpalastvarieté
Premiere: 7. April 2005
Fotos: Krystallpalastvarieté
Ab in die Sündenfalle
Sündigen kann so schön sein. Erst recht in der Frühlingszeit, wenn nicht nur die Knospen springen. Das neue Programm Sündenfälle im Krystallpalastvarieté lebt es dem Publikum vor, allen voran Katrin Troendle, die mit Conférence und Gesang durch den Abend führt und verführt. Nach drei Jahren Abstinenz steht die Krystallpalastvarieté-Mitinitiatorin wieder auf vertrauten Brettern und zeigt sich von der sündig-wandlungsfähigen Seite. Mal lässt sie bis auf einen großen Hut alle Hüllen fallen, dann wieder spielt sie den Unschuldsengel, den Vamp, das naive Dornröschen. Da geht das Publikum doch gern in die Sündenfalle.
Welche Sünden hätten wir denn da? Zum Beispiel die Eitelkeit. In einer perfekten Jongelage in atemberaubendem Tempo lässt Robin Mehnert Keulen und Ringe durch die Luft fliegen. Dabei mimt er überzeugend den eitlen Popstar, der dem anbetenden Groupie den Fuß in den Nacken stellt. Die tempogeladene Nummer, bei der der Artist zusätzlich zur Jongelage Treppen besteigt, zur Not auch rückwärts, hat in diesem Programm Premiere. Noch eine Sünde gefällig? Die Völlerei. Mit seinem Kollegen Vitor Garcia ist Robin Mehnert nicht wiederzuerkennen als das Duo FAST FAT COMPANY. Als übergewichtiges altes Pärchen ziehen die beiden auf Rollschuhen artistische Runden. Choreographie und Konzept erdachte sich die Schlage Katrina.
Wobei wir bei einer zentralen Figur dieses Programms wären. Katrina, vielen Varietébesuchern aus früheren Programmen bereits als Kontorsionistin bekannt, zeigt sich diesmal von ihrer vielseitigen Seite. Ihrer konzeptionellen Mitarbeit sind die Choreographien der FAST FAT COMPANY und des „Barockbildes“ im zweiten Teil zu verdanken. Auch als Artistin begeht sie neue Wege: Im eröffnenden Paradiesbild steigt sie als verführende Schlange kopfunter das Seil hoch und überrascht durch kraftvolle Bewegungsvielfalt und ungewohnte Körperhaltungen. Als Duo UXORIUS bildet sie mit Annett den finalen Höhepunkt am Doppeltrapez. Die Darbietung zeichnet sich nicht nur durch Anmut, Können und extreme Gelenkigkeit aus, sie lebt auch sehr von dem Kontrast der beiden Artistinnen. Überwiegt in Katrinas Aura das Diabolische, wirkt Annett mit ihrem zierlicheren Körper eher elfenhaft und zerbrechlich. Doch auch Annett zieht andere Seiten auf in ihrer Solo-Equilibristik als Roxanne. In knisternder Rotlichtatmosphäre räkelt sie sich lasziv auf einem Stuhl, um ihn schließlich zu kippen und in dieser äußerst instabilen Lage mit einem Handstand zu krönen. Gänsehaut nicht nur im männlichen Publikum.
An sündiger, diabolischer Ausstrahlung kaum zu überbieten: Gunnar Erik Wetzel als Fürst der Finsternis. Mit seinem langen schwarzen Mantel tritt er aus den Pforten der Hölle, um mit atemberaubender Gleichmut und Langsamkeit seine Handstandakrobatik zu vollführen. Allmählich lässt er seine schwarzen Hüllen fallen, und man, vor allem frau, kann dem faszinierenden Muskelspiel seines athletischen Oberkörpers folgen.
Das bereits erwähnte „Barockbild“ eröffnet den zweiten Teil des Abends und gewährt dem Publikum ein Wiedersehen mit einem berühmten sächsischen Sünder: August der Starke. Er und seine Hofschranzen betrachten wohlgefällig eine Strapatendarbietung zu Klängen aus Mozarts Zauberflöte. Vitor Garcia mimt nicht nur den gelenkigen Komponisten, der sich in schwindelerregende Höhen dreht, passend zur Arie der Königin der Nacht. Er ist auch für die opulenten Kostüme des „Barockbildes“ und das ausgestopfte Erscheinungsbild der FAST FAT COMPANY zuständig. Dieses Programm scheint eine Menge Multitalente zu vereinigen.
Ein weiteres Multitalent des Ensembles ist Regisseur Bert Callenbach. Zuletzt war er im Varieté als Conferencier des Programms Nachtschwärmer zu sehen, heute zeigt er sich von seiner inszenierenden Seite. Das Programm zeichnet sich durch einen stringenten roten Faden aus, die Nummern greifen ineinander, ohne lose aufgereiht zu sein. Einzig in dem „Barockbild“ entsteht ein gewisser Leerlauf bei August dem Starken und Hofschranzen, die während der Mozartnummer etwas unbeteiligt auf der Bühne stehen. Stichwort August. Gerd Voigt, ein Urgestein der Unterhaltungskunst, der diesen berühmten Sachsen mimt, zeigt in einer Kerzenbalance sein artistisches Können. Im sündig-schummrigen Kerzenlicht balanciert er auf Degen und Dolchen diverse Kerzenständer, sehr zum Amusement seines Hofstaates. Und um das sächsische Selbstbewusstsein noch gründlicher zu stärken, singt Katrin Troendle, nun ganz in der Rolle ihrer selbst kreierten Sachsendiva: „Kann den Sächseln Sünde sein?“ Bei so viel Charme und Können: Nein!
(Babette Dieterich)
Die „Sündenfälle“ laufen bis zum 2. Juli 2005.
Kartenvorverkauf: 0341 / 14 06 60, kartenverkauf@krystallpalastvariete.de
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