Eindrücke und Preisträger

Ein kurzer Bericht über das Kurzfilmfestival in Dresden

„Sheng Ri“ (Foto: Filmfest Dresden)

Wenn ein Film innerhalb kürzester Zeit eine Handlung auf den Punkt bringen will, wenn Figuren für einen ganz kleinen Augenblick vorgestellt werden und dabei eine ganze Geschichte aus ihrem Leben erzählt wird, die sich dann – wenn möglich – prägend im eigenen Gedächtnis festigen soll, dann sieht man einen Kurzfilm. Dabei handelt es sich um eine immer noch viel geschmähte Form von Film, die weder im Fernsehen wirklich, noch im alltäglichen Kinoallerlei eigentlich ein Forum findet. Dass hierfür ein Festival hermuss, zeigt, dass es hier nicht nur um einen Alternativplan für einen angestrebten, aber zu teuren Langspielfilm geht, sondern gerade auch darum, dass eine spezielle Plattform immer noch nur in dieser Form in der Kinolandschaft zu finden ist. Dass dies nötig ist und funktioniert, zeigte sich erneut beim Filmfest Dresden, welches sich in diesem Jahr zum 17. Mal jährte.

In zwei Wettbewerben konnten sich internationale und nationale Filmemacher aneinander messen, und dem Publikum wurde breitestes Kino mit unterschiedlichsten Geschichten geboten. Einblicke der speziellen Art erhielt man hier, gerade weil jeder Geschichte nur ein kleiner respektive kurzer Raum zur Verfügung stand, der sich in einer vielleicht plakativeren, sicherlich aber symbolischeren Art und Weise auszudrücken hatte. Was dem Zuschauer ob der beschränkten Zeit nicht im Detail erzählt werden kann, muss einen anderen Weg in sein Verständnis finden. Was also durfte man sehen?
Im Internationalen Wettbewerb zeigte sich eine verstärkt visuelle Beschränkung in der Erzählweise, was der eigentlichen Geschichte nicht immer zugute kam. Denn ein Ausruhen auf opulenten Bildern regt nur die eine Seite an. Aufregung (in welcher Art auch immer) aber vermittelt der Film dem Betrachter somit noch lange nicht. Was dem Zuschauer so an Stimmung vermittelt wurde, war ein merkwürdiges Gefühl von „da war wohl nicht genug Geld für einen Langspielfilm zu haben“. Dieses Trailerhafte enttäuscht, da schnell das Gefühl einer verminderten Wirkungsfähigkeit des Kurzfilms hängen bleibt – und das wäre ein Armutszeugnis für dieses Genre. Dafür lassen sich aber auch gegenteilige Filme nennen, die überraschend frische Ideen brachten und den Raum, den dieses Format bietet, glänzend nutzten. So auch der Kurzspielfilm-Gewinner Sheng Ri / Geburtstag von Bertrand Lee aus Singapur, der den Tag eines jungen Elternpaares zeigt, an dem sie verstehen, dass sie sich auf ihrem gemeinsamen Weg verloren haben. Intensiv aber ruhig erzählt der Film, wie die beiden an die Orte zurückkehren, an denen sie einst als Kinder spielten. Mehr und mehr wird klar, dass ihr eigenes Reich der unbeschwerten Kindheit viel zu früh zu Ende ging. Ein bisschen erinnert er an Wong Kar-Wais Erzählweise in In the mood for love – epische Musik zu ruhigen Bildern der einzelnen Protagonisten. Aber nicht nur dieses recht klassische Liebesdrama konnte begeistern, auch ganz andere Thematiken, ans Absurde grenzende wurden vorgestellt, so z.B. der schwedische Film Dysmorpho, welcher den morgendlichen Kampf eines Mannes mit einem nicht-weg-zu-kriegenden Haar auf der Brust zeigt und ins Surreale steigert. Daneben war viel Brutales zu sehen, so in dem britischen Film Monsters. Aber allein auf einem Schockmoment als bleibender Erinnerung sollte man sich nicht ausruhen, denn Plakatives bleibt eben doch oft eher negativ stehen, und motivationslos agierende Figuren will sowieso niemand verstehen.

Der Nationale Wettbewerb konnte dagegen eine qualitativ größere Kontinuität aufweisen, auch wenn die Jury hier ein zu großes Sicherheitsbedürfnis in der Auswahl der Thematiken bedauerte. Existenzielles, Dramatisches wurde hier geboten, aber auf einer konventionellen Ebene, die nicht überraschte und so auch leider nicht im Gedächtnis hängen bleibt. Welcher Film dies aber mit großer Souveränität meisterte und dafür mit dem Förderpreis der Kunstministerin mit 20.000 Euro belohnt wurde, war Sonntag, im August von Marc Meyer, ein Film der bis zuletzt die Tragfähigkeit zwischenmenschlicher Machtkämpfe durchspielt und kein Pardon zulässt; ein Film, der zwei Menschen auf einem Boot beobachtet, wie sie sich selbst und dem anderen gegenübertreten müssen, sich piesacken und letztlich sich töten – das als wuchtige Kausalkette, die ein bisschen wie unausweichlich dem Zuschauer entgegenkommt, frei nach dem Motto: Selber schuld, ihr Lieben. Dieser von ihm selbst als Experiment bezeichnete Film nimmt sein Format ernst und strukturiert einen Erzählmodus, der nachhaltig wirkt. Aber auch Wattläufer von Denis Jacobsen ließ einen so schnell nicht mehr los. Der Zuschauer wird zusammen mit dem Protagonisten auf einer einsamen Insel ausgesetzt und muss versuchen zu ergründen, warum er hier ist, was hier passiert; muss erleben, dass noch jemand auf dieser verlassenen Insel zugegen ist und dass quälende Bilder keinen Reim zulassen. Das Ende ist überraschend, lässt aber anfänglich Gezeigtes in einem engen Kontext verschmelzen. Wattläufer zeigt eindrucksvoll, dass Spannung in so kurzer Form möglich ist aufzubauen und zu halten. Er zeigt aber auch – z.B. im Vergleich zu Nur wenn sie schlafen – einem Film über zwei Brüder, welche gefangen in stereotypen Leben, den Tod des Vaters als Basis eines Neuanfangs nutzen wollen und können -, wie schwierig es ist, unsere Aufmerksamkeit zu fesseln und wenn auch nur für wenige Minuten. In Wattläufer war der Aufhänger ein Gedankenspiel, und dieses konnte sich die Zeit zu nutze machen, indem auf sie hingearbeitet wurde, sie also den Rahmen gab, ohne mehr sein zu wollen und ohne den Kurzfilm damit zu überfordern.
Mit immerhin 99 Filmen im Wettbewerb konnte das 17. Dresdner Filmfest eine großzügige Bandbreite an visuell erfahrbarem Leben zeigen, aber auch den Filmemachern selbst ein Plateau bieten, sich einzuschätzen, Anregungen aus dem breiten Angebot zu ziehen und der kritischsten, weil unvoreingenommen Jury gegenüberzutreten: dem Publikum.

17. Filmfest Dresden
Internationales Festival für Animation und Kurzfilm

12. – 17. April 2005


Preisträger 2005 im Überblick

Internationaler Wettbewerb:

Animation (7 500 Euro)
„Une histoire vertébrale“ / Backbone Tale, Jerémy Clapin, Frankreich 2004

Spielfilm (7 500 Euro)
„Sheng Ri“ / Birthday, Bertrand Lee, Singapur 2004

Jugendoscar Animation (1 500 Euro)
„Fallen Art“, Tomek Baginski, Polen 2004

Jugendoscar Spielfilm (1 500 Euro)
„Alice et moi“ / Alice and I, Micha Wald, Belgien 2004

SZ-Publikumspreis (2 000 Euro)
„Alice et moi“ / Alice and I, Micha Wald, Belgien 2004

Nationaler Wettbewerb:

Bester Animationsfilm (3 000 Euro)
„Allerleirauh“ / Whisper of the fur-cones, Anja Struck, Deutschland 2004

Bester Spielfilm (3 000 Euro)
(Filmverband Sachsen e.V.)
„Morgenschwarm“ / Morning Flirt, Thomas Fröhlich, Deutschland 2004

Publikumspreis (2 000 Euro)
„Scrap“, Daniela Atanassow, Deutschland 2004

Filmförderpreis der Kunstministerin (20 000 Euro)
„Sonntag, im August“ / Sunday in August, Marc Meyer, Deutschland 2004

KlangMusikPreis – Bester Soundtrack (international/national) (3 000 Euro)
„Obras“ / Works, Hendrick Dusollier, Frankreich 2004,
Musik / Sounddesign von Jean-Francois Viguié


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