Düster muss nicht böse sein

Wave-Gotik-Treffen 2005: Im Gespräch mit „Wissmut”-Sänger Makarios

Er ist schlicht und schwarz gekleidet, als er mir die Tür zu seinem nikotingeschwängerten Büro öffnet. Kein albernes Kreuzklimbim um den Hals, keine szenetypische Lacklederkombi, sondern einfach und pur Makarios. Mit bequemen Turnschuhen und Weintrauben auf seiner Cappuccino-Tasse. Makarios, bekannt geworden als Die-Art-Sänger, ist heute dauerbeschäftigt mit mehreren düsteren Musikproduktionen. Eine davon heißt Wissmut und ist zu erleben am 16. Mai auf der Leipziger Parkbühne zum Wave-Gotik-Treffen.

Selbst nach jahrelanger Bühnenpräsenz gebe es keine Routine, sagt Makarios. „Kurz vor dem Auftritt bin ich unansprechbar, reagiere nicht mal auf Small Talk. Manchmal hilft auch nur viel reden, um mich abzulenken. Ein seltsames psychologisches Spiel.“ Die Liveshow ist eine Auswahl aus dem aktuellen Tourprogramm. Ob es auch Die-Art-Stücke zu hören gibt, will ich wissen. Der Künstler spricht zuversichtlich von Bonusstücken.

Wissmut gründete sich bereits vor vier Jahren und ist heute ein ungewolltes Quasi-Fragment von Die-Art. Das Konzept damals war weder ein Nachfolgeprojekt noch ein PR-Gag, sondern schlicht eine musikalische Neufindung. Erst jetzt erscheint „BI“, das erste Album der dunklen Formation um Makarios, Thomas Gumprecht, Conrad Hoffmann und derzeit Shiva Rudra. „Die Leute haben schließlich richtig genervt, wann es denn endlich eine Scheibe zu kaufen gibt“, erzählt Makarios. „Aber wir wollten die Songs erstmal live testen, bevor wir ins offene Messer rennen. Also alles Taktik.“

Inhaltlich sei das Album „eine echte Makarios-Platte über das Suchen, Finden, Verlieren. Die Angst davor und die Sehnsucht danach.“ Die Texte sprechen von Zauber, Monden, Kometen und Regenbogen und wirken stellenweise wie erwachsen gewordene Kindergedichte. Einige Songs scheinen entstanden zu sein bei einem phantastischen Ritt auf Fujur durch die Unendliche Geschichte. Ein Album mit Kolorit zum Schwimmen und Drehen, aber auch zum Losmarschieren mit stampf- und springbarer Musik ganz im Sinne der Brachialpopkultur. Denn düster muss nicht böse sein. So grenzt sich „BI“ gelungen ab von Schrammelschrei-Projekten, die immer häufiger auf dem Wave-Gotik-Treffen ein Engagement bekommen und klischeeüberladene Hassen-Töten-Sterben-Songs zum Schlechtesten geben.

Natürlich geht es auf „BI“ auch um Zweifel, Einsamkeit und „kalte Meere ohne Halt“, sonst wäre es keine „schwarz-romantische“ Sache, wie Makarios das „schwer zu charakterisierende und doch so eindeutige“ Debütalbum beschreibt. „Aber es geht eben nicht darum, den Schmerz zu zelebrieren, sondern ihn zu bewältigen.“ So ist die Platte ein bisschen wie Fliegen und eine hoffnungsvolle Reise zugleich. Es sind nur einige wenige Stücke, die man heimlich von der CD herunterkratzen möchte. Aber Kunst ist eben zu Recht nicht Allerlieblingsware, keine Band perfekt und Makarios nicht Gott, sondern nur „gottähnlich“, wie er mir augenzwinkernd verrät. „Das Menschsein ziehe ich jedoch vor“, sagt er zum Schluss und zündet sich eine seiner Prince-Zigaretten an.

Wave-Gotik-Treffen Leipzig 2005:
Im Gespräch mit Wissmut-Sänger Makarios über Debütalbum, Bühne und Gott

(Bild: Sven Gatter)

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