Lebensschule für Philosophen

Daniel Villasenor äußert sich in seinem Lebensroman „Stilles Wasser“ zum Genießen des Alltags

Endlich ein Lebensroman. Ein Roman, der nach dem Leben sucht, Leben lehrt, Lieben lehrt. Daniel Villasenors Stilles Wasser zeigt die kleinen Dinge des Alltags, die wir vergessen haben wahrzunehmen. Es ist der Pfirsichmund einer Frau, die Form von Wolken, der Sand auf dem Bettlaken und der Sonnenschein auf den Blattspitzen einer Blume, an denen wir uns kindlich freuen können.

Der Philosoph Zachary Brannagan hat verlernt, sie zu sehen, er ist versunken in Gedankentheorien, hat die reale Welt zur Nichtexistenz zerdacht. Zerstreut landet er bei einem Psychiater, der ihn nicht für geistesgestört erklärt, sondern ihm die Aufgabe gibt, wieder ins Leben zu finden. Täglich eine Liste von Dingen zu schreiben, Dinge des Lebens, für die er blind geworden ist.

Zachary erfährt, dass er ein Adoptivkind ist und macht sich auf, seine leiblichen Eltern in Arizona zu finden. Eine Reise in die Wirklichkeit beginnt. Sie führt ihn nach The Lake, einem abseits gelegenen Waisenhaus. Anna versorgt hier elf ausgesetzte Kinder. Sie sind gelähmt, verkrüppelt oder epileptisch. Ihre Erzeuger wollten sie nicht. Zachary erlebt eine neue Welt. Eine, in der mit den Händen und dem Gefühl gearbeitet wird. Mit philosophischen Theoremen baut man keine Scheune. Im Höhlengleichnis steht nicht geschrieben, wie man ein gebrochenes Kinderbein verarztet.

Die Stimmung des Romans ist romantisch, lebensbejahend, stellenweise herrlich naiv. In vielen Details und einfachen Dialogen wird Alltag einfangen, und doch ist nichts alltäglich. So wird das Buch zu einer Kritik an der verwissenschaftlichten Lebenswirklichkeit von heute. Denn es ist die Welt der Kinder, von denen Zachary lernt. Eine Welt ohne Theorie.

Daniel Villasenor: Stilles Wasser

Rowohlt Verlag 2005, 19,90 €

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