Unerhört konzentriert

Das Leipziger Universitätsorchester eröffnet die diesjährigen Universitätsmusiktage mit einem Konzert im Gewandhaus

Der 19. Juni 2005 war im Leipziger Musikleben ein besonderer Tag: Für das Leipziger Universitätsorchester übernahm das renommierte Mitteldeutsche Rundfunkorchester eine Patenschaft, die im Eröffnungskonzert der Universitätsmusiktage feierlich durch die Jeunesses Musicales Deutschland beurkundet wurde. Schon seit langem hatten Mitglieder des MDR-Orchesters informell Stimmproben geleitet und den Enthusiasmus der studentischen Musiker unterstützt. Nunmehr ist der fruchtbaren Beziehung zwischen beiden Klangkörpern eine offizielle Fasson gegeben worden. Konzentration war das Hauptmerkmal dieses Konzerts mit Antonin Dvoráks Cellokonzert und einer Zusammenstellung aus den drei Suiten zur Ballettmusik „Romeo und Julia“ von Sergej Prokofjew.

Bereits der Beginn mit dem prägnanten Thema des Cellokonzerts bannte die Zuhörer. Überhaupt ist ein starker Anfang eine Spezialität des LUO. Später brachte das Horn das Seitenthema in wunderbarer Ruhe. Nach sorgfältig ausgehörten Spannungsbögen der Exposition bereitete das Orchester den Einsatz des Solo-Cellos perfekt vor: Nur jetzt und nicht später kann der Solist beginnen. Im Konzertsaal selten, ein so bezwingender Moment. Mit dem jungen Cellisten David Hausdorf „konnten“ die studentischen Musiker, das war deutlich zu hören. Hausdorf nahm sich selbst in seinen halsbrecherischen Koloraturen zurück, wenn sie doch nur Umspielung von Orchesterstimmen waren. Am Ende der Durchführung nach spannenden Dialogen mit den Holzbläsern stürzte er aber mutig und vehement mit der gefürchteten Oktavstelle in die Reprise hinein. Man darf sagen, der Cellist gab alles! Das durchaus nicht so eingängige Adagio war klangschön gespielt, indes hätten die Einwürfe von Streichern und Bläsern etwas ruhiger sein dürfen. Die Hektik, auf die nächste „Eins“ kommen zu müssen, sollte nicht aufkommen. Nach der komplexen Zwischenkadenz des Solo war’s deutlich entspannter, und in Ruhe klang der Satz aus. Dem Orchester gelang fulminant, im Finale das musikantische Thema einzuführen. Diesmal allerdings lockt Dvorák den böhmische Musizierfreude erwartenden Zuhörer in die Irre. Das einem Rondo würdige Thema kommt nicht recht vom Fleck trotz des Mitwipp-Faktors, den das Orchester in großer Spielfreude vermittelte. Die Stimmung wird resignativ, wie von ferne klang der großartige Einsatz der Blechbläser. Am Ende wird das markante Thema des ersten Satzes zitiert, erst ganz am Schluß gelingt die Wendung ins Dur. David Hausdorf hat wirklich alles gegeben in diesem Konzert von symphonischem Format. Immer zur richtigen Zeit trat er als Solist hervor oder nahm sich kammermusikalisch zurück; seine Virtuosität ordnete er der Aussage des Werks unter. Nach diesem Kraftakt verständlich, daß es keine Zugabe des Solisten gab.

Für ein Amateurorchester ist es immer sensationell, wenn es Stücke der Klassischen Moderne (oder gar einer noch späteren Zeit) spielt. Die Ballett-Suiten von Prokofjew sind gespickt mit virtuosen Einlagen und raffinierter Instrumentation mit raschen Klangwechseln. Harte Probenarbeit ist zu leisten, um den Eindruck eines ganz großen Instruments entstehen zu lassen. Man kann gar nicht die Leistungen der Orchestersolisten aufzählen, jede Instrumentengruppe hatte ihren „Auftritt“, es gab starke Soli bei den Streichern. Die Nummern klangen alle unterschiedlich, doch jede auf ihre Weise souverän. „Tybalts Tod“ mit seinen furchterregenden Akkordschlägen, die Leichtigkeit von „Julia als Kind“, die grelle Ruhe hoher Streicher im „Romeo am Grabe Julias“ und vieles mehr. Die eigene Meßlatte liegt jetzt für das nächste Konzert sehr hoch! Mit der Encore „Morgentanz“ aus der dritten Suite wurde das Publikum hochgestimmt in den lauen Spätfrühlingsabend geschickt.

Konzert zur Eröffnung der Leipziger Universitätsmusiktage

Antonin Dvorák: Konzert für Violoncello und Orchester h-Moll op. 104

Sergej Prokofjew: Romeo und Julia (Auszüge aus den drei Orchestersuiten)

Leipziger Universitätsorchester
Violoncello: David Hausdorf
Leitung: Anna Shefelbine

19. Juni 2005, Großer Saal des Gewandhauses


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