Aus dem hohen Norden: Das 21. Internationale Kurzfilmfestival Hamburg (Lina Dinkla)

21. Internationales Kurz Film Festival Hamburg
8. – 13. Juni 2005
www.kurzfilmfestivalhamburg.de

Fotos: IKFF
1. After the rain
2. Home Game (Hjemmekamp)
3. Die kalte Wut des Makalu
4. Eleni’sOlives
The funny side of the Kurzfilm

Wie es mir denn gefiele, fragt mich Carsten Stempel, einer der Verantwortlichen des Kurzfilmfestivals Hamburg. Sehr gut, sage ich, es fügt sich so wunderbar ins Stadtbild ein. Ach, grinst der zurück, willst Du etwa sagen, es ist unsichtbar? Wenn man es so betrachten will…

Natürlich schüttelt eine Stadt wie Hamburg so viele andere kulturelle Angebote aus dem Ärmel, dass es ein Festival – und dann auch noch für Kurzfilm – unter vielen anderen Veranstaltungen schwer hat, sich bemerkbar zu machen. Ist man jedoch einmal eingetaucht in das Treiben in Altona und Ottensen rund um die Zeise-Hallen, wo der Großteil der Veranstaltungen stattfindet, mag man so schnell nicht mehr gehen. Mitarbeiter, Gästebetreuer und Helfer strahlen eine derartige Gelassenheit aus; nichts kann hier irgendwen aus der Ruhe bringen. Und in den Filmpausen geht man an der nächsten Ecke lecker und billig Gal?o trinken, sich den Bauch mit Falafel oder indischem Curry voll schlagen oder in eine der unzähligen netten Kneipen des Viertels über Filme diskutieren.

In dieser Hinsicht ist man hier als Festivalbesucher wirklich besser versorgt als beispielsweise beim inoffiziellen Konkurrenten Kurzfilmtage Oberhausen. Hier hat ein einzelnes Stadtviertel rund um die Uhr so viel bieten, wie dort die ganze Stadt nicht in einem Jahr. Sind dort die Kurzfilmtage ein hochkulturelles Highlight, von dem das ganze Jahr gezehrt werden muss, ist hier das Festival eine Attraktion von vielen. Und auch inhaltlich setzen sich die beiden Festivals voneinander ab. Sucht Oberhausen immer mehr den Weg in Richtung ernster Kunstfilm, gibt Hamburg offen zu, nicht zuletzt auch Spaß am Kurzfilm haben und vermitteln zu wollen. Was überhaupt nicht heißen soll, dass es hier anspruchslos zugeht. Neben den höchst vielseitigen Wettbewerben – Internationaler, NoBudget, Made in Germany, Made in Hamburg, Flotter Dreier – war in diesem Jahr der Iran als Länderschwerpunkt vertreten. Vielschichtige Eindrücke aus einem Land, das sich in vielerlei Hinsicht im Umbruch befindet. Und man durfte staunen, wie schnell die eigene, vermeintlich gut informierte Meinung vom derzeitigen iranischen Leben ins Wanken geriet. Beängstigend modernste Moderne auf der einen, bedrückend rückständige Verhältnisse auf der anderen Seite – und beide Extreme liegen nicht selten direkt nebeneinander.

Reduktion hieß das Thema des zweiten Sonderprogramms, dass sich in sieben verschiedenen Blöcken, in filmischer wie inhaltlicher Hinsicht mit dem „Weniger“ auseinander setzte. Von gesammelten Remakes bekannter Langfilme bis zur filmischen Umsetzung unterschiedlichster Raumerfahrungen waren hier viele Aspekte von Abbau, Rückzug, Entfernen, Verkleinern – eben von Reduktion zu sehen.

Meine persönlichen Highlights des Festivals waren der legendäre Wettbewerb „Flotter Dreier“ und die Aktion „A Wall Is A Screen“. Der „Flotte Dreier“ fand im Lichtmess statt, einem äußerlich unscheinbar wirkenden, aber innen sehr lebendigen Ort der Hamburger Subkultur. Hier wurden dreißig Filme zum Thema Fußball gezeigt, die nicht länger als drei Minuten lang sein durften. Bei Jever und Frei-Jägermeister war die Stimmung ausgelassen und doch entspannt; vom Kurzfilm wurde an diesem Abend nichts weiter erwartet als kurzweilig intelligente Unterhaltung.

Mit „A Wall Is A Screen“ ist eine weitere typische Hamburger Einrichtung in eine neue Runde gegangen. Mit einem erstaunlich leistungsfähigen Videobeamer und einem tragbaren Stromaggregat ging es auf eine fast dreistündige Nachtwanderung durch die auf Hochglanz polierte, konsumoptimierte Hamburger Innenstadt. An die Wände unterschiedlichster Tempel und Orte – Karstadt, Kirche, Burger King, U-Bahnpassage und Warenannahmehof – wurden Filme projiziert, die mal mehr, mal weniger offensichtlich auf ihren Untergrund Bezug nahmen und so die kuriosesten Assoziationen und Reaktionen hervorriefen. Etwa 500 Leute waren in die kalte Juninacht gekommen, um an diesem Spektakel gegen Privatisierung öffentlicher Räume teilzunehmen und sich vom Strom der spontan versammelten Masse treiben zu lassen.

Die Wettbewerbe insgesamt fielen durch eine sehr gut zusammengestellte Mischung aus pointenreichen Kurzspielfilmen, dokumentarischen Auseinandersetzungen mit Tabuthemen und experimentellen animatorischen Übungen positiv auf. Und eben weil hier keine Rücksicht auf einen 50jährigen Festivalmythos Rücksicht genommen werden muss, ist das Hamburger Festival als neugierig machender Einstieg in die Kurzfilm-Welt geradezu ideal.(Lina Dinkla)
Die Preisträger 2005Internationaler Wettbewerb
Hamburger Kurzfilmpreis: 3.000 Euro: After the Rain (Posle doschdja), Dusan Gligorov, Russland 2004, Kurzspielfilm, 13’30 Min., 35 mm
François-Ode-Preis: 1.500 Euro: Scene 6882 from my Life (Scen 6882 ur mitt liv), Ruben Östlund, Schweden 2004, Kurzspielfilm, 8’00 Min.,35 mm
koda-Publikumspreis: 1.500 Euro: Home Game (Hjemmekamp), Martin Lund, Norwegen 2004, Kurzspielfilm, 9’50 Min., 35 mm
ARTE-Kurzfilmpreis: 5.850 Euro: Sister, Daniel Mulloy, Wales 2004, Kurzspielfilm, 13’00 Min., 35 mmNoBudget Wettbewerb
NoBudget-Jurypreis: 2.000 Euro (ex aequo):
1. Preserving Cultural Traditions in a Period of Instability, John & Henry Ford, Österreich 2004, Experimentalfilm, 3’00 Min., 35 mm
2. Geheimnis und Schatten, George Olsen, Schottland 2004, Dokumentarfilm, 7’25 Min., DVD
Publikumspreis NoBudget-Wettbewerb: 1.500 Euro: Die kleine Bio-Mahlzeit, Stephan Müller, Deutschland 2005, Experimentalfilm, 3’30, DVDMade in Germany
Kreative Energie – Made in Germany; Publikumspreis gestiftet von Greenpeace energy: 1.500 Euro: Bob Log III’s Electric Fence Story, Sébastian Wolf & Tinka Stock, Deutschland 2004, Animationsfilm, 2’12 Min., Betacam SP
Made in Hamburg
Hanse Short 2005 Jurypreis: 1.500 Euro: Die kalte Wut des Makalu, Carsten Knoop & Dorit Kiesewetter, Deutschland 2004, Kurzspielfilm, 20’00 Min., 35 mm
Hanse Short 2005 Publikumspreis: 1.500 Euro: Wackelkontakt – Man trifft sich oder wird getroffen, Eike Swoboda & Felix Engel, Deutschland 2002, Kurzspielfilm, 27’40 Min., Mini DVFlotter Dreier
Thema „Fußball“
Publikumspreis: 1.000 Euro: Horst-Uwe G. – Ein deutsches Schicksal, Matthias Grübel & Matthias Sdun, Deutschland 2005, Kurzspielfilm, 3’30 Min., DVD Mo & Friese KinderKurzFilmFestival Hamburg
Mo & Friese-Preis der Kinderjury: 1.250 Euro: Eleni’s Olives, Yianna Americanou, Zypern 2004, Kurzspielfilm, 19’00 Min., 35 mm

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