Nüchtern betrachtet

„Don’t come knocking”, der neue Film von Wim Wenders

Howard Spence alias Sam Shepard (Bilder: Reverse Angel)

Don`t come knocking beginnt da, wo ein klassischer Western aufhört: mit dem Davonreiten des Helden in Richtung Horizont. Nur dass es sich bei Howard Spence nicht um einen Cowboy, sondern um einen alternden Hollywoodschauspieler handelt. Zurück bleiben eine verärgerte Hauptdarstellerin und ein frustriertes Drehteam, beide entschlossen, ihren Star unter allen Umständen wieder einzufangen. Aber Howard hat genug vom Scheinleben und seinem mittlerweile etwas angegilbten Ruhm, der nur noch Ausdruck in jener Frage findet, die ihm in der hinterletzten Bar gestellt wird: „Sind sie nicht…?“ Und da es für ihn keinen anderen Fluchtpunkt gibt, muss er nach Hause zurückkehren zu seiner Mutter. Aber auch hier zieht es ihn bald wieder hinaus zu den Glücksspielhallen, den Schlägereien und den jungen Mädchen – der übliche Trott also. Nur wird er hier in der Vorstadt schnell mal – Howard schlägt einen Glücksspielautomaten zusammen – von der Polizei unterbrochen, die den abgehalfterten Cowboy pflichtbewußt wieder bei der Mutter abliefert. Wunderbar gelassen hier: Eva Marie Saint: „Ein Mann, der zu lang von Zuhause weg ist, vergisst seine Manieren.“

So sieht das Leben von Howard Spence aus, bis er erfährt, dass er einen Sohn hat, hervorgegangen aus einer 30 Jahre zurückliegenden Affäre mit einer Kellnerin. Getrieben von der Hoffnung, seinem Dasein vielleicht doch noch ein Quentchen Sinn abzutrotzen, macht sich Howard auf die Suche und hat Glück: Er findet seine Geliebte, die immer noch im selben Cafe arbeitet, wo er sie kennengelernt hat. Und er findet seinen Sohn. Nur hat hier niemand auf ihn gewartet.

Das macht die Stärke des neuen Films von Wim Wenders aus: Don`t come knocking gerät nie in Gefahr, eine rührende Geschichte über eine Liebe im zweiten Durchgang zu werden. Dies ist in erster Linie dem unbestechlich nüchternen Schauspielerensemble zu verdanken. Allen voran Jessica Lange als Doreen mit ihrer beinahe übermenschlichen Ruhe, die nicht mit Versöhnlichkeit zu verwechseln ist. Als Howard ihr den Vorschlag einer gemeinsamen Zukunft macht, kann sie nur lachen. Diese Splitter werden sich nicht mehr zu einem Ganzen zusammenfügen. Klug gewählt ist hier auch der Zeitabstand von 30 Jahren und die Besetzung Howards mit dem über 60-jährigen Sam Shepard, der auch das Drehbuch zu dem Film verfasste. Ein Blick in sein faltenzerfurchtes Gesicht und auf die Erschöpfung unter der Bräune genügen, um einzusehen: Dieses Leben ist verpasst.

Howard Spence ist ein Prototyp, ein Vertreter jener von Einsamkeit umfangenen Männer, wie man sie von Wim Wenders schon kennt: ruhe- und rastlos, und meistens auf der Suche – wie schon in Paris, Texas. Manchmal behauptet Wenders in Interviews – und das wohl ohne Koketterie -, mehr als diese umtriebigen Männer und ihre verwickelten Geschichten interessierten ihn Landschaften. Kein Wunder also, dass dem Roadmovie in Wenders Schaffen eine zentrale Rolle zukommt. Erst der Aufbruch und die Suche – oft nach einem Kind – können seinen Protagonisten wieder einen Platz in der Welt zuweisen und sie neu verwurzeln. Die Faszination vom Mythos Amerika und seinem Heilsversprechen der unablässigen Bewegung bilden den Motor von Wenders Filmen. Es spricht für Wenders, dass er es nicht einfach bei der ehrwürdigen Pose des ins Sonnenuntergangslicht getauchten Helden belässt, sondern sich stattdessen entschieden den Antihelden zuwendet, den alternden und abgehalfterten Cowboys eben, die das volle Maß ihrer Erbärmlichkeit erst begreifen, wenn sie vom Set reiten. Bei aller Ironie gibt Wenders dabei nicht einmal einen Protagonisten wie Howard Spence der Lächerlichkeit preis. Er vollbringt die dialektische Leistung, Spence bloßzustellen als streunenden Mann, den mittlerweile wohl weniger die Abenteuerlust als die Altersunruhe durch die Welt treibt, und ihm doch gleichzeitig Respekt zu zollen für die Beharrlichkeit, den Mut und die Zuversicht, die ihn immer noch sein Recht auf einen Neuanfang einfordern lassen.

Don’t Come Knocking

D 2005, 122 Min.
Regie: Wim Wenders
Drehbuch: Sam Shepard nach einer Geschichte von Sam Shepard und Wim Wenders
Kamera: Franz Lustig
Schnitt: Peter Przygodda, Oli Weiss
Darsteller: Sam Shepard, Jessica Lange, Tim Roth, Eva Marie Saint

Kinostart: 25. August 2005


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