Brücke der Kulturen – Fatih Aktins Dokumentation über die Musikszene Istanbuls (Florian Fromm, Ayke Sütthof)

Crossing the Brigde – The Sound of Istanbul
Deutschland / Türkei 2005, 90 Min, OmU
Regie und Drehbuch: Fatih Akin
Kamera: Hervé Dieu
Schnitt: Andrew Bird
Kinostart: 9. Juni 2005

Fotos: © corazon / intervistaDie Brücke der Kulturen

Zumindest innerhalb Deutschlands hat sich Fatih Akin bereits seit einigen Jahren als Regisseur einen Namen gemacht und die Aufmerksamkeit vieler Cineasten auf sich gezogen. Spätestens mit Gegen die Wand gelang ihm im letzten Jahr auch international der große Durchbruch. Der Film über das Schicksal zweier in Deutschland aufgewachsener Türken und deren Zerrissenheit zwischen den jeweiligen Kulturen füllte die Kinokassen und wurde mit Preisen überhäuft. Gerade aus diesem Grund war es sehr geschickt von Akin, die nun großen Erwartungen an ihn nicht mit einem weiteren Spielfilm erfüllen zu wollen und stattdessen etwas anderes zu machen. Er erfüllte sich einen Traum und tauchte ein in die bunte und abwechslungsreiche Musikszene Istanbuls. Fatih Akin führt den Zuschauer in seinem neuen Film Crossing the Bridge – The Sound of Istanbul in die vielschichtige Musikkultur der Türkei. Er benutzt dazu das Mittel der Dokumentation, anstatt wie bei Gegen die Wand eine fiktive Geschichte in den Vordergrund zu stellen.

„Wenn ihr einen Ort besucht / Und verstehen wollt, welche Kultur dort herrscht, / welche Tiefen und Oberflächlichkeiten dort vorhanden sind, / dann hört euch die Musik an, / die dort gemacht wird“. Dieses Zitat des großen Konfuzius leitet den Film ein und zeigt das eigentliche Thema auf. Axel Hacke, der Bassist der „Einstürzenden Neubauten“ fliegt nach Istanbul, um die dortige Musikszene zu entdecken und dokumentieren. Seine Erfahrungen mit den verschiedenen Musikstilen und Bands der größten Stadt der Türkei bilden die Geschichte des Films. Durch die Auseinandersetzung mit den Musikern wird ein Land, das sich nicht als Grenze zwischen Ost und West, sondern als Vermischung dieser Kulturen sieht, erklärt. Dabei richtet sich der Blick auf die beeindruckende Stadt der Gegensätze – die Brücke der Kulturen – Istanbul. Hier prallen Arm und Reich, Schön und Hässlich, Groß und Klein und eben Ost und West aufeinander. Doch gerade von diesem Bild der Gegensätze möchte Istanbul sich verabschieden und stattdessen die kulturelle Vermischung, den „melting pot“ des 21. Jahrhunderts darstellen.

Daran trägt die Musik einen besonders wichtigen Anteil. Dort werden Einflüsse des Westens mit traditioneller türkischer Musik verbunden. Dieses geschieht in jeglicher Form – angefangen mit türkischer Rockmusik, sehr erfolgreicher Pop- und Rapmusik, bei der es sogar weibliche Rapper gibt, bis hin zur Rückbesinnung auf traditionelle türkische, kurdische und Roma Musik. Schwer um Anerkennung zu kämpfen hat besonders die kurdische Musik, die erst im Rahmen der EU-Statuten öffentliche Akzeptanz erreicht, sowie die beeindruckend schnelle Rapmusik, der ein starkes Westimage anhängt. Da ist zum Beispiel der junge Rapper CEZA, der sich nicht als „Gangster-Rapper“ verstanden haben möchte und vielmehr versucht, politische Botschaften in immens schnelle Reime zu packen, oder der gealterte Pionier der türkischen Rockmusik Erkin Koray, dem es noch heute gelingt, tausende junger Menschen auf seine Konzerte zu locken, und das mit mittlerweile über 60 Jahren.

Axel Hacke führt sichtlich begeistert durch die Kulisse Istanbuls, immer ausgerüstet mit seinem tragbaren Tonstudio und seiner Gitarre. Er ist hingerissen von den alten Größen des türkischen Musikgeschäfts und den neuen Impulsen der jungen Künstler. Fatih Akin und Axel Hacke beschäftigen sich der Reihe nach mit den verschiedenen Musikrichtungen. Leider kratzen sie dabei, außer in einer kurzen Episode über Istanbuls Straßenmusiker, nur an der Oberfläche der Szene. Denn abgesehen von „Syasiyabend“, der Gruppe von Straßenmusikern, deren nachdenkliche, gesellschaftskritische Aussagen eine große Bereicherung für den gesamten Film darstellen, geben sich in Akins Film die Stars und Sternchen der türkischen Charts die Klinke in die Hand. Die dargestellten Musiker sind in der Türkei etabliert, verkaufen ihre Platten und können gut von ihrer Musik leben. Der Untergrund der Szene bleibt unangetastet, hier existieren immer noch starke Akzeptanzprobleme, die Musiker leben am Existenzminimum. Stattdessen wird das Leben der Straßenmusiker romantisiert, der Kampf um etwas Geld zum Leben nicht herausgestellt.

Dennoch gibt der Film einen Überblick über die Vielfalt der kommerziellen türkischen Musikszene, spricht auch den langen Kampf der Szene um Annerkennung im eigenen Land seit den 60er Jahren an. Jahrelange Musikzensur und die Unterdrückung von Minderheiten sind stark rückläufig, und das Zeitalter der Globalisierung schreitet unentwegt voran. Die vielen Künstler in Akins Film, sowie deren Meinungsfreiheit und nicht zuletzt ihr Erfolg bei den Menschen sind ein Ausdruck für die „Moderne“, die auch in der Türkei schon längst Einzug hält.

So wird die Musikszene der Türkei in teilweise melancholischen, traurigen Bildern nachgezeichnet, die beim Zuschauer hängen bleiben. Istanbul als Kulisse gibt dem Film die nötige Atmosphäre, und man bekommt viel Musik zu hören, die einen auf eine schöne Reise an den Bosporus mitnimmt.(Florian Fromm, Ayke Sütthof)

Lesen Sie auch das Interview mit Pierre Hecker über die Metalszene in der Türkei.Crossing the Bridge läuft unter anderem am 4. September im Freilichtkino auf der Pferderennbahn.

Ein Kommentar anzeigen

  1. Die Namen solltet Ihr schon richtig schreiben. Heißt der Hacke jetzt Axel oder Alexander, heißt es jetzt Akin oder Aktin. Man muß nach dem Lesen des Artikels erst mal selber recherchieren.

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