Ohren auf und durch

Liebling der Musikredaktion : Jens Friebe und sein grandioses neues Album „In Hypnose“

Jens Friebe zuzuhören ist das Beste, was man derzeit tun kann

Zwei Dinge unterscheiden Jens Friebe von einem Star, wie man ihn sich gewöhnlich vorstellt: sein Name, der auch am Klingelschild über dem eigenen nicht auffallen würde, und seine unaffektierte Freundlichkeit. Als Jens Friebe vor einigen Wochen beim Melt!-Festival auf der Bühne stand, lächelte er und sagte: „Hätte gar nicht gedacht, dass um die Zeit schon so viele da sind.“, denn er spielte nachmittags und viele waren noch auf dem Campingplatz, und er grüßte nach allen Seiten. Dann kamen die Songs, viele von seinem neuen Album In Hypnose, Jens Friebe antwortete auf Zurufe der Zuhörer, winkte den euphorisiert tanzenden „Intro“-Redakteuren zu und gab auch Zugaben. Einige Stunden später stand er selbst im Publikum, in der ersten Reihe, während Mouse on Mars spielte. „Ich will, dass du mich willst, weil ich ein Star bin“, sang er auf seinem Debütalbum Vorher Nachher Bilder, und wie unernst auch immer das damals gemeint war – neben den genannten beiden Dingen, die Jens Friebe von einem Star unterscheiden, ist auch viel an ihm, das ihn zu einem macht.

Gerade sein jüngstes Werk dürfte und müsste dazu beitragen, ihn in den Clubs, Feuilletons und Herzen zur festen Größe werden zu lassen. Aus seinem anscheinend unerschöpflichen Ideenpool hat Jens Friebe die schillerndsten, romantischsten und bleibendsten Sätze und Melodien ausgewählt und daraus ein Album gemacht, das den Hörer in die Lage versetzt, die der Titel prophezeiht: In Hypnose. Wer nun aber einen „Es geht darauf um…“-Satz oder eine „Wichtige Themen bei Jens Friebe sind…“-Zeile erwartet, muss enttäuscht werden – so einfach ist es nicht, zum Glück. „Was es ist, kann ich nicht sagen / Es hat keinen Namen“, heißt es im Song „Es hat keinen Namen“ (ursprünglich von Tilman Rossmy, nun mit Jens Friebe und bezaubernd tanz- und mitpfeifbar umarrangiert), und es ist, als ginge es hier um Friebes Musik. Manche Songs sind eindeutig in ihrer Botschaft wie die Vegetarier-Hymne „Theke mit den Toten“, die meisten aber sind um die Ecke gedacht und geschrieben. Gemeinsames Bungeespringen auf dem Schützenfest („…weil es dafür steht, wie es mit allem geht, das liebt: Man umarmt sich auf dem Weg nach unten…“), Liebeserklärungen an die Clique und andere („Teilst du mit mir einen Abend voller Glück / Ich leih ihn aus, und du bringst ihn zurück“), Post-Tour-Depressionen („Es war mir eine Ehre / Es war mir eine Freude / Es war mir gegen Ende / Vielleicht etwas viel.“) und Rettungen („Wie eine Stimme, die beim Tischfußball zu dir spricht: ?Klapp deine Männchen hoch, den Rest mach ich.'“) sind nur einige der Dinge, die in Jens Friebes Liedern für viel mehr stehen als für das, was sie auf den ersten Blick vermuten lassen.

Erstaunlich ist auch die Bandbreite, die der Berliner Sänger stilistisch bietet: Der Song „Jede Menge Ziele“ ist laut Friebe eine „wütende Selbstverortung gegen beschränkten Aktivismus“, die er bereits vor neun Jahren geschrieben hat und die dem Punk näher ist als alles andere auf In Hypnose. Es folgt „Abend voller Glück“, eines der schönsten und poppigsten Lieder des Albums und des Jahres. Mit „Bungeeseil“ und „Es hat keinen Namen“ kriegt der Hörer aber auch, was er nach Vorher Nachher Bilder erwarten musste: Elektro. Und ganz am Ende seiner neuen Platte, nach minutenlangen leisen Straßengeräuschen, gibt es noch eine kleine Zugabe, „Roadmovie to Berlin“, im Original von Jens Friebes Helden „They Might Be Giants“, und einen stilvolleren Abschied kann man sich nicht denken.

Jens Friebe, der auf der Bühne gern auch mal den Großstadtdandy gibt, enge T-Shirts trägt und statt der großen Rock’n’Roll-Geste zarte, zweideutige Hand- und Hüftbewegungen perfektioniert hat, beweist seinen Hörern immer wieder, dass er sich für alle Schubladen und jeden Holzhammer zu schade ist. Ob er nun ein Star ist oder nicht, tut daher auch eigentlich nichts zur Sache – In Hypnose beantwortet viel wichtigere Fragen.

Jens Friebe auf Tour z.B. am
21. Oktober 2005, Leipzig, Ilses Erika
22. Oktober 2005, Dresden, Starclub

Tracklist:
01. Kennedy
02. Lawinenhund
03. Still
04. Bungeeseil
05. Theke mit den Toten
06. Es hat keinen Namen
07. Messer von hinten
08. Rauch ohne Feuer
09. 10000 Zeichen
10. Jede Menge Ziele
11. Abend voller Glück
12. Roadmovie to Berlin

Jens Friebe:
In Hypnose

Labels / ZickZack

VÖ: 29.08.2005

http://www.jens-friebe.de/

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.