Von fremden Parteien und politischen Visionen

Die PARTEI hat immer Recht: Martin Sonneborn & Co. liest zum Wahlausgang aus Sorge um unser Land

Mit einer Miene allumfassender Zufriedenheit – angesichts fulminanter Wahlergebnisse zu Recht – präsentierten sich Martin Sonneborn, Vorsitzender der Partei für Arbeit, Rechtstaat, Reisefreiheit, Tierschutz, Elitenförderung und basisdemokratische Initiative (kurz die PARTEI), Thomas Gsella, außenpolitischer Sprecher, und Oliver Maria Schmitt, Ehrenvorsitzender, zu einem ihrer raren Auftritte innerhalb der Zone. Bereits vor Beginn der Veranstaltung hatte sich eine Schar treuer Anhänger über die Glücksgefühle beim allmonatlichen Vorfinden des Parteiorgans „Titanic“ in den Briefkästen ausgetauscht. Und auch dem Rest des Publikums dämmerte, dass das „Merkelferkel“ („Titanic“ 09/2005) keine Alternative zum Schröderregime und zur immerwährenden Kanzlerschaft Münteferings darstellte. Sonneborn nun stellte klar, daß allein die PARTEI ihr Wahlziel voll und ganz erreicht hatte: Merkel gestoppt, Schröder gestürzt. – Und das mit dem Mauerwiederaufbau würde auch nicht mehr so lang dauern.

Aber der Reihe nach. Zunächst präsentierten die „Titanic“-Kapitäne einen außerordentlich vergnüglichen Rückblick auf gelungene Wahlkampfmaßnahmen, über die hier nicht im Einzelnen berichtet werden soll. Empfehlung: Lesen Sie die „Titanic“-Ausgaben der letzten Monate. Die Rückschau wurde angereichert mit diversen Lesungen. Schmitt gab etwas aus seinem neuem Buch zum Besten, und Gsellas Jamben trabten so leichtfüßig in des Hörers Ohren, dass man beinahe überhört hätte, daß es sich inhaltlich um rassistischen Blödsinn handelte. Zum Glück machte der Dichter selbst den Hörer darauf aufmerksam. Der Inhalt, bekannte der Dichter, sei den verantwortlichen Stellen in den etablierten Medien scheinbar entgangen.

Die Wahlkampfknüller hatten sich die Herrschaften dann für die zweite Hälfte aufgespart: Sonneborn bei N 24, das Kanzlerkandidatinnen-Casting bei Sat 1, hilflose Damen und Herren Moderatoren im Umgang mit der PARTEI: wer mitspielt, macht sich selbst zur Satire. Wie nah am Wahnsinn sich die Unterhaltungsindustrie bewegt, legten Schmitts Randnotizen zur Bambiverleihung an Ganz/Hitler durch einen debilen Alt-Bundeskanzler dar. Die Darstellung im Einzelnen ginge in dieser Stelle etwas weit, zu leicht würde man sich in den Tiefen von Ernst und Unernst, tieferem Sinn und nichts sagender Bedeutung verlieren. Deshalb soll an dieser Stelle noch einmal insistiert werden (ohne natürlich Werbung zu machen, das liegt mir völlig fern): Gehen Sie demnächst selbst zur „Titanic“-Boygroup oder kaufen Sie sich endlich monatlich die „Titanic“! Monatlich. Und dann danken Sie, wenn sie wegen der Satire die Zeit ertragen, nicht nur der „Titanic“, sondern auch einem Mann, der einen höchst erheiternden Abend in der Moritzbastei verbringen durfte und der es sich jetzt gemütlich macht mit den Devotionalien, die er auf dem „Titanic“-Weihnachtsmarkt erstanden hat. Weswegen er diese Rezension jetzt auch beendet: ist ja eh nur unerträgliche Lobhudelei.

Martin Sonneborn liest
20. September 2005, Moritzbastei

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