Ganz schön was los hier: Die Leipziger Filmkunstmesse präsentiert die Filme des kommenden Winters (Maike Schmidt)

5. Filmkunstmesse Leipzig
12. – 16. September 2005
Schaubühne Lindenfels, Passage-Kinos

Fotos: Filmkunstmesse
1. L’Auberge espagnole
2. Stage Beauty
3. Das Leben wie ich es möchte
4. Dear Wendy
Ausblick auf den Kinowinter

5. Filmkunstmesse, das hieß zum fünften Mal ein Forum zu bieten für den Austausch zwischen Programmkinobetreibern und Verleihern, und impliziert zugleich einen sich etablierenden Event, der Filme und Kino zusammenbringt – eine Verbindung, die nicht mehr als selbstverständlich betrachtet werden darf, glaubt man den pessimistischen Blicken in die Zukunft (Stichwort DVD oder Filmpiraterie). 5. Filmkunstmesse bedeutet insofern mehr als einfach nur Messe zu sein, sondern ist auch Chance und Optimismus-Strategie, die durchaus aufging – volle Kinosäle sprechen für sich. 5. Filmkunstmesse, das hieß denn auch zum fünften Mal die Möglichkeit für Leipziger Filminteressierte schon jetzt einen Blick zu wagen auf das, was kommen wird, auf das, was uns in nächster Zeit Kino zu bieten hat. Dieses Angebot wurde dankbar genutzt – und sicherlich nicht nur aus Gründen kultureller Loyalität. Nein, es wird richtig was zu sehen geben im Kinowinter 2005/2006! Damit die Pessimisten also nicht Recht behalten und der Zusammenhalt zwischen Film und Kino verloren geht, hier eine kleine Übersicht, die Lust machen soll auf Kino, Lust auf Film und besonders auf Film im Kino.

Man stieß auf große Namen beim Durchblättern des diesjährigen Branchenkatalogs, etablierte Regisseure, bekannte Schauspieler, national wie international ein durchaus interessantes Angebot. Christian Petzold, Michael Haneke, Lars von Trier, Woody Allen, Jürgen Vogel, Daniel Brühl, Juliette Binoche, Heike Makatsch und und und. Ein Aha-Effekt folgte dem nächsten, alle Kinofreunde müssten jetzt aufgeregt sein. Zu Recht, und daher soll ein genauerer Blick riskiert werden. Aufregung darf sich halten, auch wenn der Eröffnungsfilm zunächst nichts davon verspüren ließ.

Man entschied sich für ein Sequel, einen Fortsetzungsfilm – immer eine schwierige Sache, die oft und gerne nach hinten losgehen kann. L’Auberge espagnole (Start: 13.10.2005) – man erinnert sich? Kulturelles Durcheinander junger Leute auf dem Weg ins Erwachsenendasein, der Erasmusfilm schlechthin. Diesmal nicht im schönen Barcelona platziert, sondern (zumindest am Ende) im nicht weniger schönen St. Petersburg, was sich aber nicht wirklich auf den Film übertragen sollte. Die Frage nach dem (nicht finanziellen) Sinn eines Sequels darf hier gerne aufkommen und bleibt wie so oft ohne Antwort. Man merkt dem Film an, dass er auf Krampf versucht eine Fortsetzung zu erzählen und letztlich daran scheitert, indem er nur oberflächlich über die Liebe des Lebens sinniert. Nun gut, davon aber nicht abschrecken lassen. Der Film, der wohl den größten Zuspruch erntete, war der neue Film von Christian Petzold, Gespenster (Start: 15.9.2005), der ganz bestimmt einiges an Diskussionen nach sich ziehen wird, was ein Schritt weiter Richtung Annäherung zwischen Kunst und Kommerz darstellen könnte, eine Diskussion, die gerade Regisseure wie Petzold auszulösen vermögen und damit dem „Underground-Film“, wenn man so will, an Öffentlichkeit gewinnen lassen. Aber auch andere deutsche Regisseure bringen Neues ins Kino, so Andreas Dresen mit Sommer vorm Balkon (Start: 5.1.2006), ein Film, der zwei Freundinnen ein Stück weit begleitet auf ihrer Suche nach dem Glück, strategisch nicht neu im Osten Berlins platziert. Oder Leander Haussmann mit NVA (Start: 29.9.2005), eine weitere DDR-Geschichtsaufarbeitung im lustigen Kostüm. Daneben ein Film von Lars Kraume, Keine Lieder über Lieder (27.10.2005), mit Jürgen Vogel und Heike Makatsch in den Hauptrollen, ein Film über eine Frau zwischen zwei Männern, ein Film der mehr Improvisation denn Drehbuch gestützte Verfilmung bietet. Oder aber der Publikumsgewinner Eine andere Liga (Start: 20.10.2005) von Buket Alakus, der die Geschichte eines starken Mädchens erzählt, das zwischen Krankheit, Tradition und Idealismus seinen Weg zu gehen vermag.

Aber auch der Blick über Deutschland hinaus lässt einiges Interessantes vermuten, so der neue Film von Thomas Vinterberg, der vor einigen Jahren mit Das Fest für Kinoaufregung sorgte und vielen bestimmt noch eindringlich in Erinnerung ist. Dear Wendy (Start: 6.10.2005) erzählt nun die Geschichte einer Gruppe Jugendlicher, allesamt Außenseiter, die ihr Selbstvertrauen stärken, indem sie sich Waffen zulegen – nicht um sie zu benutzten, Gott bewahre, sondern um des Willens sie zu besitzen. Die Frage des Films sei dann: Geht Pazifismus und vermeintlicher Schutz durch eine Waffe überein? Ist eine Waffe nicht doch dazu da benutzt zu werden und zu töten? Der Einfluss Lars von Triers, der das Drehbuch dazu schrieb, ist zu spüren. In ein, zwei Momenten fühlt man sich gar an Dogville erinnert, was interessant ist, wird doch dessen Fortsetzung im November in die Kinos kommen. Nun geht es von Dogville nach Manderlay (Start: 10.11.2005), was der begonnenen USA-Trilogie eine Fortsetzung bietet. In Cannes mit der Goldenen Palme ausgezeichnet, kommt der neue Haneke mit großen Namen daher. Daniel Auteuil, Juliette Binoche und Annie Girardot sind die Protagonisten in Caché (Start: Ende Januar 2006), einem Psychothriller über die Macht der Vergangenheit und der ewigen Erkenntnis, dass man ihr nicht entfliehen kann. Weniger verwirrend, dafür umso herziger bietet sich der neue Film von Giuseppe Piccioni an, Das Leben wie ich es möchte (Start: noch unbekannt), Kino der Emotionen, das sich selbst und seine Figuren feiert – für die kalten Tage genau das Richtige. Ähnlich schön, aber wahrscheinlich auch eher thematisch an uns Mädels gerichtet, ein Film von der Insel, der mit großen Namen (Claire Danes, Rupert Everett), dem großen Shakespeare und jeder Menge Zeitkolorit in die Tradition von Shakespeare in Love einsteigt: Stage Beauty (Start: 29.9.2005). Großes Kino mit vielen Namen kommt dann auch aus Übersee, hier sei nur Woody Allen erwähnt mit Match Point (Start: 29.12.2005) oder Marc Foster mit Stay (23.2.2006). Interessenkonflikte könnten jetzt entstehen, müssen aber nicht, denn auch das Unbekannte, abseits des großen Filmmarktes Stehende kommt zum Zug. Einen Überblick über das Filmschaffen osteuropäischer Regisseure bietet hier Lost and Found (Start: Anfang 2006), eine Kurzfilmsymbiose zum Thema Generationen, die hoffentlich nicht völlig untergehen wird. Denn er bietet ästhetisch Neues, längst Vergessenes (wann war da noch mal Krieg?) und menschlich Nahes. Der Blick auf unbekanntes Terrain, jenseits bekannter Namen und etablierter Kinokunst lohnt sich allemal.

5. Filmkunstmesse, alles in allem also eine recht bunte und abwechslungsreiche Mischung, die mit Sicherheit den einen oder anderen Kinobesuch nach sich ziehen wird – an den Filmen wird es nicht scheitern. Es bleibt allein viel Spaß zu wünschen beim Entdecken, beim Schwelgen, beim Entrüsten und in jedem Falle beim Genießen. (Maike Schmidt)

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