„Die Reise der Pinguine”, ein Film von Luc Jacquet (Anna Kaleri)

Die Reise der Pinguine
(La marche de l’empereur)
Frankreich 2005, 80 Min., Dok.
Regie: Luc Jacquet
Ohne Altersbegrenzung, empfohlen ab 8 Jahre
Kinostart: 13. Oktober 2005

Fotos: © Jérôme Maison / Bonne Pioche
Entgleisung auf Eis

Im antarktischen Winter, bei durchschnittlichen Temperaturen von 40 Grad minus grenzt Leben und Weiterleben schon an ein Wunder. Dieses Wunder war dem französischen Biologen Luc Jacquet Anlass, einen Film über die Kaiserpinguine zu machen, die jedes Jahr wie nach einem festen Ritual vom Meer aus in langen Zügen zu einem Paarungsplatz aufbrechen und unter härtesten Bedingungen darum kämpfen, dass das befruchtete Ei, das geschlüpfte Junge und schließlich sie selbst überleben. Das war es dann auch schon fast an „harten Fakten“, die der Film Die Reise der Pinguine zu bieten hat – die imposanten, alle Erwartungen einlösenden Natureindrücke und erstaunlich geglückten Nahaufnahmen bringen ihm nicht den Rang eines Dokumentarfilmes ein, denn ein Dokumentarfilm, zumal ein guter, beschreibt ohne Wertung oder gar Zudichtungen. Von diesen allerdings strotzt der Film.

Mit poppiger Musik unterlegt, die etwas von Paradies und Liebe wispert, wird den Pinguinen ein Märtyrermythos übergestülpt und damit nicht genug der Vermenschlichung, wir hören sogar Vater und Mutter des potentiellen Sprösslings und schließlich den kleinen Pinguin selbst reden, mit menschlicher Stimme versteht sich und mit menschlichen Gedanken. Vom „Tanz der Liebe“ ist die Rede und von der „Oase der Liebe“, und diese Pseudopoetik ist keine einmalige Entgleisung, sondern Stilmittel des Films. „Unter uns summt das Magnetfeld der Erde seine uralte Melodie“, geht es einem Pinguin angeblich durch den Kopf.

Ein Jahr filmte das Team unter extremen Bedingungen und mit Feingefühl den Bedürfnissen der Tiere gegenüber, und dieses eine Jahr sollte dann schon etwas breitenwirksameres als „nur“ einen Dokumentarfilm hervorbringen, so jedenfalls will es scheinen.

Wenn schon Poesie: Sind die Bilder nicht poetisch genug, wenn sich die Schnäbel zweier Pinguine fast zärtlich berühren und das Männchen dem Weibchen beim Zeugungsakt en passant seine Schnabelspitze in den Hals drückt? Ist es nicht bewegend genug, zu sehen, wie der Vater das Ei auf seine Füße nimmt und unter dem Daunensack warm hält, und ist es nicht kommentarlos niedlich, das flauschige graue Ding anzusehen, wie es in die Welt blinzelt und später die ersten Gehversuche macht? Mit der Reise der Pinguine haben die Macher zu wenig auf die poetische Kraft des Faktischen vertraut. Sicher, man kann den Film ansehen und prägende Eindrücke mit herausnehmen. Und man kann sogar über unpassende Anklänge wie „das gebeugte Volk“ hinweghören, wenn man ein dickes Fell mit in den Kinosessel nimmt.(Anna Kaleri)

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