„Der Duft von Lavendel”, Daniel Brühls internationales Debüt (Joanna Hengstenberg)

Der Duft von Lavendel
(Ladies in Lavender)
GB 2005, 104 Min.
Regie: Charles Dance
Buch: Charles Dance, basierend auf eine Kurzgeschichte von William J. Locke
Kamera: Peter Biziou
Darsteller: Maggie Smith, Judi Dench, Daniel Brühl
Kinostart: 6. Oktober 2005

Fotos: ConcordeDer Prinz aus dem Meer
Eine Liebe zwischen Jung und Alt

Noch-nicht-Sir Daniel Brühl und die Oscar-gekrönten Grandes Dames des britischen Theaters, Judi Dench und Maggie Smith, in einem Film vereint: Das klingt nach einem hübschen Besetzungscoup, besonders in den Ohren des deutschen Publikums, das den Good Bye, Lenin!-Jüngling ab dem 6. Oktober in seiner ersten internationalen Leinwandproduktion begutachten darf. Der tragikomische DDR-Film – der in allen Londoner DVD-Läden zu kaufen ist und sich dort ganz bestimmt nicht als letztes Objekt in der Sparte ?German Peinlichkeiten‘ verstecken muss – war es denn auch, der den etablierten britischen Schauspieler und Regisseur-Neuling Charles Dance von, wie dieser es selbst formulierte, Daniels ?Chamäleon-Qualität‘ überzeugte. Der Duft von Lavendel (Ladies in Lavender) lautet der sinnliche Titel dieses kleinen Films, dessen Drehbuch auf einer Kurzgeschichte von William J. Locke basiert.

Ein mysteriöser junger Mann (Daniel Brühl) wird von einem heftigen Sturm an die raue Küste Cornwalls gespült – direkt in das Herz von Ursula (Judi Dench), die mit ihrer Schwester Janet (Maggie Smith) in einem Haus auf den Klippen ein idyllisches Leben führt. Der Fremde spricht zwar nicht ihre Sprache, doch sinken angesichts der unendlichen Geduld und der liebevollen Methoden der alten Damen (fast) alle Sprachbarrieren in sich zusammen. Die zart aufkeimenden Gefühle der mädchenhaften Ursula brauchen ohnehin keine Worte: ein verstohlener Blick, eine hinter der strengen Schwester rasch geschlossene Tür, ein sanfter Strich über das Haar des jungen Polen lassen erahnen, was niemals platt ausgesprochen wird. Solche kleinen Momente sind es im Besonderen, die dem Film einen liebenswerten Charme verleihen und den beiden (auch im ?echten‘ Leben in jahrzehntelanger Freundschaft verbundenen) Ladies Gelegenheit geben, ihr wunderbar unaufdringliches Spiel, ihre Präsenz und ihre Komik voll zu entfalten. Die unaufgeregt-leise Geschichte nimmt eine emotionale Wendung, als die Schwestern zufällig das musikalische Potential ihres Gastes entdecken und die schöne und emanzipierte, aber unberechenbare russische Künstlerin Olga (Natasha McElhone) ihm zu einer Karriere als Konzertgeiger verhelfen will. Ursula, die Olga als Bedrohung für ihre träumerische Welt empfindet, muss schmerzlich erkennen, dass der nach künstlerischer Freiheit strebende Andrzej ihre Sehnsüchte nicht erfüllen kann.

Die Filmbilder präsentieren ein von typisch englischen Nebenfiguren bevölkertes und mit nostalgisch vergoldetem Pinsel gemaltes Panorama der 1930er Jahre, das ein wenig wie ein Album idealisierter Kindheitserinnerungen des Regisseurs und Drehbuchautors Charles Dance wirkt. Der Soundtrack wird zudem vom Spiel eines Virtuosen veredelt – nicht Daniel Brühl, sondern das gefeierte Talent Joshua Bell entlockte der Geige die perfekt gesetzten Töne in den Violin-Passagen.

Die Figurenkonstellation und der von Geheimnissen und Zufällen durchwebte Plot verleihen dem Film eine märchenhafte Aura, doch die Themen – der Einbruch des Fremden in eine feste Gemeinschaft, Frühlingsgefühle im Herbst des Lebens, Schwesternliebe, Enttäuschung und Abschiednehmen – sind sehr real und zeitlos. Der Duft von Lavendel ist eine ganz sanft von Kitsch überhauchte Mischung aus komischen und sensiblen Momenten, die – und dies ist vor allem dem grandiosen Spiel der Darsteller zu verdanken – amüsiert und berührt. (Joanna Hengstenberg)

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