Totgesagte leben länger

Zum Abschluss des 48. Leipziger Dokfestivals

Prophezeiungen gab es nicht wenige in diesem Jahr. Zum Schluss galt es, sogar den eigenen zu trotzen. Die Zuschauerzahlen waren weniger gut, hieß es zur Preisverleihung, die erstmalig schon am Samstag stattfand. Am Ende zeigte sich aber, dass der Sonntag noch ein echter Zuschauertag war. Mit insgesamt 20.000 Zuschauern gab es zwar weniger als zum Vorjahr (2004: 24.500), aber von einem Einbruch kann nicht die Rede sein. Zumal der diesjährige Termin noch in den Semesterferien lag, weil man die Fachbesucher nicht an die internationale Programm-Messe MIPCOM in Cannes verlieren wollte. Tatsächlich ging die Rechnung auf, und 25 Prozent mehr Fachbesucher (über 1.000) waren angereist. Somit wurde auch der neu etablierte und anfangs totgesagte Markt zu einem Erfolg und kann nun in den nächsten Jahren ausgebaut werden.

Kritik gab es während der Woche am neuen Festivalvogel. Das neue Logo ziert eine neue Taube, für die die alte „geschlachtet“ werden musste. Plötzlich erinnerte man sich wehmütig daran, dass die alte ja ein Geschenk von Picasso war. Weitere Kritik kam aus dem Inneren des Festivalteams. Otto Alder, der nach 13 Jahren als Kurator der Animation das Festival verließ, äußerte die Sorge, dass die Animation unter anhaltendem finanziellem Druck womöglich gekippt werden könnte. Festivaldirektor Danielsen hielt dagegen und betonte, es sei „kein Lippenbekenntnis“, die Animation unter allen Umständen halten zu wollen. Eher würde das gesamte Festival untergehen.

Inhaltlich bot das 48. DOK Leipzig im 50. Jahr seines Bestehens ein volles Programm – ein übervolles, könnte man meinen. Aber wer sich orientieren konnte, dem standen einige Leckerbissen bereit. Im Besonderen: die Hommage an den 1990 verstorbenen Herbert Seggelke, der in diesem Jahr seinen 100. Geburtstag gefeiert hätte. Seine Frau Sabine Seggelke führte eindrucksvoll durch die sechs glänzenden kleinen Dokumentationen über Kunst und Künstler, die unlängst selbst zu großen Kunstwerken geworden sind.

Eine Begegnung, die lange in Erinnerung bleiben wird, war jene mit Albert Maysles. Der Dokumentarfilmer, der zu den Protagonisten der „Direct Cinema“-Bewegung der 60er Jahre gehört, stellte persönlich einige seiner Filme vor und hielt mit begeisterten Filmemachern und anderen Interessierten eine zweistündige Masterclass ab. „No attention is being paid to decent people or acts of kindness in the mass media. I think that’s very bad.“, sagt der 79-Jährige, der sich noch immer hochpolitisch und zugleich unsagbar menschlich gibt. Eine Mischung, die noch lange Vorbild bleiben wird – im Dokfilm wie in der Animation.

Festivalberichte im Leipzig-Almanach:

1. Dokumentarfilm Internationaler Wettbewerb

2. Dokumentarfilm Deutscher Wettbewerb

3. Retrospektive „Rote Filme sieht man besser“

4. Die Preisträger im Überblick

Fotos: DOK Leipzig
oben v.l.n.r.: Maysles, Danielsen

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