Liebloser Kitsch: Cameron Crowes „Elizabethtown” kommt in die deutschen Kinos (Benjamin Stello)

Elizabethtown
USA 2005, 120 Minuten
Regie und Drehbuch: Cameron Crowe
Darsteller: Orlando Bloom, Kirsten Dunst, Susan Sarandon, Alec Baldwin
Kinostart: 3. November 2005Bruchlandung eines Höhenflugs

Nun, da die Tage schon deutlich kürzer und die Nächte spürbar kälter werden, kommen aus Hollywood wieder verstärkt Filme in unsere Kinos, welche das Herz erwärmen sollen: Filme für Verliebte oder solche, die sich entsprechenden Gefühlen hingeben möchten. Elizabethtown ist ein typisches Beispiel dieser Kategorie und startet in Deutschland Anfang November.

Schon mit den ersten Bildern stellt der Film seine Hauptfigur vor: Drew Baylor wurde direkt nach Abschluss seiner Berufsausbildung von einer großen Modefirma engagiert und durfte, auch dank persönlicher Kontakte zur Leitungsebene des Unternehmens, „seinen“ Schuh entwickeln. Dieser ist aber ein immenser und fast eine Milliarde Dollar teurer Flop geworden, was Drew Job und Lebenssinn kostet. Er, der nur für diese Fußbekleidung gelebt hat, weder Familie noch Freunde brauchte, steht nun vor dem Nichts und plant seinen Selbstmord. In diesem Moment stirbt rein zufällig sein Vater in einem verschlafenen Südstaatennest, dem titelgebenden Elizabethtown, und er soll Beerdigung und Trauerfeier organisieren. Auf dem Flug in den Süden lernt Drew die etwas aufdringliche, aber charmante Flugbegleiterin Claire kennen, die sich sofort in ihn verliebt. Bis diese sich andeutende Romanze erfolgreich beginnen kann, müssen natürlich noch viele Klippen umschifft werden, die dem Paar vom Drehbuch in den Weg gelegt worden sind.

Insgesamt ist die Absicht des Films klar zu erkennen: Nicht nur eine Romanze sollte Elizabethtown werden, sondern zugleich auch ein Drama mit Tiefgang; nicht nur das Paar sollte in den Mittelpunkt gerückt sein, sondern auch Nebenfiguren, die die Geschichte mit Breite ausstatten. Insbesondere Drews Mutter, die nun unerwartet Witwe geworden ist und mit der neu gewonnenen Freiheit zurechtkommen muss, ist als Charakter differenzierter gezeichnet als es sonst in ähnlichen „boy-meets-girl“-Filmen typischerweise der Fall ist. Leider ist gut gemeint aber oft das Gegenteil von gut gemacht…

Zu loben ist erst einmal die schauspielerische Leistung der beiden Hauptdarsteller. Orlando Bloom zeigt als Drew Baylor, dass er auch jenseits seiner bisher eher dramatischen und actionlastigen Rollen durchaus komödiantisches Talent besitzt. Kannte ihn der geneigte Kinobesucher zuvor als Legolas in Herr der Ringe, Kreuzfahrer in Königreich der Himmel oder schneidigen Degenfechter in Fluch der Karibik, zeigt Bloom in Elizabethtown sehr überzeugend, dass er einen Film auch ohne größere Spezialeffekte tragen könnte. Insbesondere stimmt auch die Chemie mit der Darstellerin der Claire, Kirsten Dunst. Diese wiederum bleibt ein weiteres Mal hinter ihren Möglichkeiten zurück. Seit sie im Jahre 2001 zwei schauspielerische Meisterleistungen abgeliefert hat, nämlich als alkoholabhängiges und verzweifelt nach Liebe suchendes Mädchen in Verrückt/Schön sowie als Charlie Chaplin-Geliebte Marion Davies in Peter Bogdanovichs The Cat’s Meow, verliert Dunst sich in rein vordergründig kommerziell ausgerichteten Filmen wie Spider-Man oder Wimbledon, ohne ihr zweifelsohne vorhandenes schauspielerisches Potential abzurufen. Nur einmal noch glänzte sie kurz, nämlich im auch sonst grandiosen Vergiß mein nicht in einer Nebenrolle als unglücklich Verliebte. In Elizabethtown gewinnt man nun das gleiche Bild: Zwei sehr gute Darsteller agieren einerseits überzeugend, andererseits aber vollkommen unterfordert. Sie tragen den Film, aber man fragt sich doch, was beide zeigen würden, wenn sie nur anspruchsvollere Rollen hätten verkörpern dürfen. So spielen Dunst und Bloom gegen eine Undifferenziertheit an, die vor allem dem Drehbuch angelastet werden muss, das selbst die vorhandenen Problematisierungsansätze trivialisiert und im Sande verlaufen lässt. Ein bezeichnendes Beispiel hierfür sind Drews Schuld- und Versagensgefühle angesichts des von ihm verantworteten Schuh-Desasters: Nach der zu langen Exposition werden sie in zwei kurzen Szenen abgehandelt und kaum thematisiert oder gar ausgespielt.

In noch viel größerem Umfang sind die hochkarätig besetzten Nebenfiguren von dieser Trivialisierung betroffen. Susan Sarandon etwa muss seit ihren überragenden schauspielerischen Vorstellungen in Dead Man Walking oder Thelma und Louise bestimmt niemanden mehr von ihrem darstellerischen Können überzeugen. In ihrer Rolle in Elizabethtown aber, in der sie als Witwe mit der unfreiwillig neu gewonnenen Zeit und Aufgabenlosigkeit zurechtkommen muss und nun Koch-, Autoreparatur- und Tanzkurse belegt, spielt sie in den wenigen Szenen, die das Drehbuch ihr zugestanden hat, derartig übertrieben, dass es die Grenze zur Peinlichkeit zumindest streift. Auch die übrigen Darsteller agieren, als ob sie in einem Schmierentheater knallchargierend die letzte Reihe erheitern wollten, so etwa Alec Baldwin als schleimiger Chef der Schuhfirma.

Damit sind wir beim größten Vorwurf angelangt, der Elizabethtown gemacht werden kann. Ein bei allem vorgegebenen Anspruch unglaublich flaches Drehbuch (von Cameron Crowe) wird unglaublich flach inszeniert (von Cameron Crowe). Eine Personenregie ist im gesamten Film nicht erkennbar, ein Spannungsbogen ebenso wenig. Teilweise wirkt der Film sogar in Episoden gestückelt und nicht wie eine Einheit. Insbesondere der „Touristenwerbefilm“ am Ende, in welchem die amerikanischen Südstaatenmetropolen sowie die Route 66 ausführlich in ihren schönsten Postkartenmotiven gezeigt werden, erscheint wie viele andere Szenen auch vollständig überflüssig. Die eigentliche Handlung der sich entwickelnden Liebe zwischen Claire und Drew wird im Film durch die Nebenstränge nicht ergänzt, sondern unterbrochen und zerstückelt. Cameron Crowe ist schon in seinen bisherigen Filmen weder durch Originalität noch durch Subtilität aufgefallen, setzt seiner künstlerisch sehr bescheidenen Filmographie hier aber übertragen die Krone auf. Bisher konnte seinen Filmen zumindest noch etwas Gutes abgewonnen werden – sei es die überragende und den Film tragende schauspielerische Leistung des Tom Cruise in Vanilla Sky, dem mehr als überflüssigen amerikanischen Remake von Alejandro Amenabárs erstem großen Meisterwerk, Open Your Eyes, oder die Musikauswahl in Almost Famous, dem gegenüber seinen Vorbildern ebenfalls stark abfallenden Quasi-Remake der in Europa mit kleinen Mitteln produzierten und überraschend erfolgreichen Still Crazy und Little Voice. So etwas fehlt in Elizabethtown zur Gänze, und damit bleibt ein zutiefst langweiliger, vorhersehbarer und berechnend kalter Film übrig. Das dürfte für eine Romanze das Schlimmste sein, was man über sie sagen kann.

Die übrigen technischen Mittel des Films passen sich in ihrem Niveau der schlechten Inszenierung an. Beispielsweise liefert der Soundtrack fast ausschließlich schöne alte Lieder in neuen Coverversionen und versucht, auf plumpeste Art zu illustrieren. Ein typisches Beispiel wäre Tom Pettys Learning to Fly als musikalische Begleitung zu einem geplanten Hawaii-Flug. Ein platterer Einsatz des Songs ist kaum vorstellbar. Die konventionelle Kamera mit einfallslosen Beleuchtungen und Einstellungen ist ebenfalls nicht der Rede wert.

Insbesondere vermittelt der Film aber neben der fehlenden Herzenswärme auch noch ewiggestrige Wertvorstellungen und einfache, nicht ernstzunehmende Lösungsvorschläge, sodass der Film teilweise ins Lächerliche kippt. Ein typisches Beispiel ist Kirsten Dunst in der Badewanne, die, um die amerikanischen Moralvorstellungen zu wahren, von einem derart großen Schaumberg überhäuft ist, dass der Zuschauer Angst haben muss, sie drohe zu ersticken: Selbst wenn sie ein Ballkleid getragen hätte, wäre mehr Haut zu sehen gewesen! Oder die Witwe: Nachdem die Südstaatenfamilie 27 Jahre angewidert auf die angeheiratete Auswärtige herabgesehen hat, reicht eine Rede auf der Trauerfeier, um die anwesenden Herzen im Sturm zu gewinnen und standing ovations zu evozieren. Als letztes Beispiel mag Drew Baylor selbst dienen: Es ist schlicht überhaupt kein bisschen glaubwürdig, dass ein Mann wie der hier von Orlando Bloom verkörperte, der nach eigener Aussage acht Jahre lang nur für ein Projekt gelebt hat, keine Freunde und Verwandten brauchte, seine Arbeit nun problemlos und ohne viel Trauern aufgibt und in einer Beziehung aufgeht.

Insgesamt entsteht so der Eindruck eines lieblos gedrehten Streifens, der trotz der wenigen anrührenden Szenen, die allesamt weder auf Drehbuch noch Regie beruhen, sondern einzig durch die schauspielerischen Leistungen hervorgerufen werden, außerordentlich ärgerlich ist. Viel zu oberflächlich und konventionell auf der einen Seite, viel zu wenig zu Herzen gehend auf der anderen: Elizabethtown ist einfach weitgehend und bis auf wenige Momente schlecht gemachter Kitsch. Verliebte langweilen sich wegen der Längen, Nicht-Verliebte ertragen den übertriebenen Zuckerguss nicht. Anspruchsvolle sind ob der diversen Klischees enttäuscht, Anspruchslose brauchen den pseudo-intellektuellen Überbau der Romanze nicht. So wird Elizabethtown niemanden auch nur ansatzweise glücklich machen können. Schade!(Benjamin Stello)

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