Herrlich gespenstisch: „Corpse Bride”, der neue Film von Tim Burton (Susanna Mewe)

Corpse Bride – Hochzeit mit einer Leiche
Regie: Tim Burton/ Mike Johnson
Drehbuch: John August, Caroline Thompson, Pamela Pettler
Kamera: Pete Kozachik
Schnitt: Jonathan Lucas
Kinostart: 3. November 2005

Fotos: © 2005 WarnerZwischen den Welten

Bevor man jemandem einen Trauring an den Finger steckt, sollte man sich seiner Sache sicher sein. Zumal Missverständnisse in derlei Angelegenheiten unangenehm sind und fast zwangsläufig zu Verstimmungen führen. Selbst stichhaltige Erklärungen, etwa, dass es sich hier doch lediglich um eine Trockenübung gehandelt habe, eine der Nervosität geschuldete Generalprobe vor der wahren Zeremonie mit einer anderen, oder dass man den Finger nicht als Finger erkannt, sondern für eine knorrige Baumwurzel gehalten habe, werden in der Regel nicht verständnisvoll aufgenommen.

Das muss auch der junge Viktor (im Original gesprochen von Johnnie Depp) aus Corpse Bride erfahren. Nur kommt bei ihm noch eine weitere Komplikation hinzu: Die Frau, die sich da erwartungsvoll aus den Fetzen ihres Hochzeitskleides erhebt, ist nicht mehr von dieser Welt und versteht zudem in Hochzeitsangelegenheiten keinen Spaß. Und so wird der Verlobte wider Willen in die Unterwelt entführt, wo schon bald harte, juristische Fragen zu verhandeln sind, wie: Sind Hochzeiten zwischen Lebenden und Toten legal? Oder: Kann ein Herz, das nicht mehr schlägt, noch brechen? Und um das Wagnerianische Thema zu vervollständigen, gibt es da natürlich noch die andere Braut, die lebende, die einsam und den Wiederverheiratungsplänen ihrer Verwandschaft ausgesetzt, auf die Rückkehr ihres Liebsten wartet.

Zum Glück sind die Grenzen zwischen den Welten fließend. Und ein Zauberspruch genügt, um vom gar nicht mal so trostlosen Reich der Toten – zumindest die Kneipen haben rund um die Uhr geöffnet – wieder zurück in die strenge viktorianische Heimat zu gelangen. Ein lebhafter Austausch zwischen Lebenden und Toten ist also garantiert. Auch wenn der greise Gelehrte der Unterwelt über soviel Unrast nur verständnislos den Kopf schütteln kann: Wer will schon nach oben, wo doch die Leute Ihr Leben geben, um endlich hier nach unten zu kommen?

Ob in Big Fish, Planet der Affen, Sleepy Hollow, oder im gerade erst in den Kinos gelaufenen Film Charlie und die Schokoladenfabrik, Burton erfindet die Welten, in der sich seine Geschichten abspielen, am liebsten selbst. Corpse Bride ist nach dem mittlerweile legendären Nightmare before Christmas der zweite Film, der in einem Puppenland der besonderen Art angesiedelt ist: Ein sprödes englisch-viktorianisches Figurenpersonal auf der einen Seite, animierte Puppen mit auffälliger Ähnlichkeit zu lebenden Personen, Knochenstilarchitektur und osteuropäische Anmutungen, dazu Danny Elfmans schräge Jazz-Kompositionen. Kein Wunder, dass man in der Besprechung eines Burton-Films ohne Vokabeln wie „eigenwillig“ und „abgedreht“ kaum auskommt. Seine Filme sind immer eigenwillige Stilmischungen aus einer Fülle abgedrehter Details. Burton macht sich mit einer Souveränität an die Ausstattung seiner phantastischen Handlungsorte, dass man meinen könnte, er besäße geheime Quellen, die ihn beständig mit Insiderinformationen über Orte wie Christmasland oder Viktoriatown versorgen. Fast scheint jedes Filmprojekt, auf das sich Burton stürzt, einen Vorwand zu liefern, sich wieder an die Bastelei einer schönen, neuen Welt zu machen.

Geht das nicht auf Kosten der Story? Oder anders gefragt: Gibt es da nicht eine Gefahr, sich in Details und Interieurs zu verlieren? Im Fall von Corpse Bride ist diese Frage ganz eindeutig mit nein zu beantworten. Denn Corpse Bride ist nicht nur das, was es sicher auch ist: eine vergnügliche Nummernfolge aus musikalischen und komödiantischen Einfällen. Neben den Onelinern und völlig legitimen Gags über ärgerlich lose Körperteile und Augen, die auf jemanden geworfen werden, – „Oh, entschuldige bitte!“ -, gibt es auch noch eine Geschichte, der man gerne folgt. Darf man eine tragische Geschichte von Liebe, Leidenschaft und hinterhältigem Mord nicht ernstnehmen, nur weil sie von einem steptanzenden Skelett namens Mr Bonejangles erzählt wird? Tim Burtons Puppen sind – und das macht den Unterschied zu ihren in Gestik und Ausdruck stark benachteiligten Knetgummikollegen aus – allesamt Charakterdarsteller. Ob der melancholische Knochenmann Jack (Nightmare before Christmas), der am liebsten den eigenen Schädel in der Hand und Shakespeare zitierend durch die Welt geht, oder Viktor, der Bräutigam wider Willen oder Viktoria, die junge Leichenbraut mit dem gebrochenem Herzen, ihr Schicksal ist kein Kinderspiel. Ihre Bewältigungsversuche sind sehr menschlich. Das ist beides, komisch und anrührend.

So zum Beispiel die Szene, in der Viktoria entdecken muss, dass sie ihren Bräutigam an eine andere Frau verloren hat. Selbstquälerisch führt sie sich alle Vorzüge der Rivalin vor Augen: Sie hat rote Wangen! Einen Puls! Und schlimmer, sie ist auch noch lebendig! Man möchte sich fast anschließen, wenn ihre Freunde parteiisch, wie es sich gehört, Trost spenden: „Was heißt schon, lebendig? Das ist doch überschätzt!“(Susanna Mewe)

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