Alle Jahre wieder: „Harry Potter und der Feuerkelch” im Kino (Benjamin Stello)

Harry Potter und der Feuerkelch
(Harry Potter and the Goblet of Fire)
GB / USA 2005, 150 Min.
Regie: Mike Newell
Drehbuch: Steve Kloves, nach dem Roman von Joanne K. Rowling
Darsteller: Daniel Radcliffe, Emma Watson, Rupert Grint, Ralph Fiennes
Kinostart: 17. November 2005

Fotos: © Warner
Der Zauberlehrling in einem großen Turnier
und dem endlosen Kampf gegen das Böse

Zauberstabbewehrte Halbwüchsige kämpfen gegen Drachen, Meerjungfrauen und das Absolut-Böse: Ja, „Harry Potter“ ist zurück, und dieser vierte Teil bietet wieder alles das, was seine Fans lieben und vermutlich sehen wollen. Dazu gibt es aber sozusagen als Bonus dieses Mal auch noch eine echte Regie und Figurenentwicklung auf mehreren Ebenen: Die Produzenten haben sich sichtbar bemüht, den Konsumenten entsprechende Schau- und Gegenwerte für den Kauf einer Kinoeintrittskarte zu bieten – insbesondere nach dem kommerziell wenig erfolgreichen dritten Teil der Serie.

In seinem vierten Jahr auf der Zauberschule Hogwarts wird der Nachwuchszauberer Harry Potter vom titelgebenden Feuerkelch ausgewählt, am Trimagischen Turnier teilzunehmen. Dieser lebensgefährlichen Prüfung in drei verschiedenen Gebieten sollen sich drei Schüler stellen: Einer von jeder der beiden befreundeten Schulen, die auf Hogwarts eingeladen sind, und einer des Gastgebers. Harry Potter wird völlig überraschend als vierter Kandidat ausgewählt, was ihm keine Freunde macht, sondern im Gegenteil für Neid und missgünstige Gefühle sorgt, insbesondere auch bei seinem sonst treuen Gefährten Ron. Außerdem bringt das Trimagische Turnier noch eine weitere Aufgabe für alle Schüler mit sich: Weihnachten wird mit einem Ball gefeiert, inklusive Standardtänzen und natürlich mit einem zu wählenden Tanzpartner. Woher soll der in Beziehungsfragen unerfahren-trampelige Harry eine Partnerin nehmen? Schließlich droht am Horizonte düster der in steten Träumen und finsteren Andeutungen präsente Lord Voldemort, Erzfeind des Titelhelden. Auch mit ihm steht Harry ganz offensichtlich eine Konfrontation bevor…

Diese etwas dünne Geschichte lässt sich auch weniger freundlich zusammenfassen: Die drei Aufgaben des Trimagischen Turniers plus ein wenig Beziehungs- und Freundschaftsprobleme sollen zweieinhalb Stunden Film füllen. Das erscheint zunächst einmal schwierig, und wenig überraschend leidet das fertige Werk auch genau an diesem Faktum: Um kurzweilig und unterhaltend zu sein, müssen neben der Handlung weitere unterhaltende Elemente ins Spiel gebracht werden. Das sind in diesem Fall Spezialeffekte, Gastauftritte diverser Stars und einige hübsche Nebenschauplätze der Handlung, die für Auflockerung sorgen sollen. Man muss dem Film zugestehen: Den Unterhaltungsanspruch löst er leicht ein, die zweieinhalb Stunden sind ziemlich schnell und mit relativ wenigen Hängern vorbei.

Insbesondere Mike Newell erweist sich hierfür als Glücksgriff: Er durfte den vierten Teil inszenieren, ist mittlerweile auch schon der dritte Regisseur von „Harry Potter“, aber der erste britische. Das tut dem Film unendlich gut: Gerade in den Szenen, die nicht durch die unsäglichen „Einfälle“ des oberflächlichsten aller Regisseure, Chris Columbus (Kevin allein zu Haus), vorgezeichnet sind, gewinnt der Film gegenüber seinen Vorgängern an Tiefe, Eleganz und Echtheit. Leider sind viele der entscheidenden Schauplätze aber visuell seit dem ersten Teil festgelegt: Hogwarts sieht eben aus wie ein Disneyland-Schloss, und die Produzenten haben sich verständlicherweise offenbar nicht getraut, von dieser eingeführten Marke Abstand zu nehmen. Newell ist damit aber sehr beschränkt gewesen: Er hat seine eigene Handschrift nur in den Szenen zum Tragen bringen können, die ihm diese Freiheit gelassen haben, weil sie nicht durch die ersten Teile vordefiniert worden sind.

Besonders deutlich sind diese Beschränkungen in den Szenen mit Albus Dumbledore, dem Direktor von Hogwarts, zu bemerken: Richard Harris, der erste Schauspieler, der diese Figur verkörperte, ist nach dem zweiten Teil gestorben und durch Michael Gambon ersetzt worden. Dieser ohne Zweifel gestandene Mime wird nun aber nicht nur in eine exakt identische Verkleidung und Maske gezwängt, sondern auch noch gezwungen, mit den gleichen Gesten und dem gesamten Auftreten Richard Harris zu kopieren. Diese Art von Beschränkungen führen dazu, dass einerseits der Wiedererkennungswert des Films relativ hoch ist: Hogwarts, das Personal, die Schauspieler, dies alles atmet den Geist der ersten Teile, mit allen positiven Folgen wie eben dem Effekt, dass es bekannt ist, aber auch allen negativen Begleiterscheinungen, nämlich der unsäglichen Oberflächlichkeit und Disneyland-Märchenschloss-Atmosphäre, die Chris Columbus dem eigentlich sehr britischen Internat aufgedrückt hat. Newell nun, bekannt geworden sowohl mit Thrillern und Dramen („Dance With A Stranger“) als auch mit Beziehungskomödien („Vier Hochzeiten und ein Todesfall“), bringt im vierten „Harry Potter“ nicht nur in die Liebesszenen einen sachten und humorvollen Tonfall, sondern inszeniert auch die Actionszenen so, dass die Schauwerte nicht zu kurz kommen – der potentiell ebenso geeignete Regisseur Alfonso Cuarón war im dritten Teil an dieser Aufgabe und der Beschränkung auf schon eingeführte Szenerien noch grandios gescheitert.

Ebenso positiv wirkt sich auf den Film der Abschied von Komponist John Williams aus, dem musikalischen Pendant zum oberflächlich inszenierenden Chris Columbus: War schon der erste Soundtrack nicht gerade originell, wurde in den folgenden Filmen diese eine Idee gnadenlos zu einem Klangteppich ausgewalzt, der jede Szene schon zu Beginn erschlug. Patrick Doyle, der sich mit der Musik zu „Frankenstein“ und anderen Filmen Kenneth Branaghs im Leinwandgeschäft einen Namen erworben hat, stattet den vierten Teil der „Harry Potter“-Serie nun mit einer passenden, vielseitigen und originellen Tonspur aus, die den Bogen von großen symphonischen Momenten über intime, eher kammermusikalische Stücke zu einem Auftritt von Jarvis Cocker spannt. Der Sänger der Britpop-Band Pulp hat sich mit zwei Musikern von Radiohead zusammengetan, um den Weihnachtsball auf Hogwarts rocken zu lassen – mit großem Erfolg. Die Musik kann der Film jedenfalls unter seinen Pluspunkten verbuchen.

Das lässt sich über die Schauspieler leider nicht in dieser Form sagen. Besonders die wichtige Rolle des Bösen erscheint völlig fehlbesetzt: Ralph Fiennes als Lord Voldemort wirkt kaum beängstigend, agiert wie üblich ohne jede Veränderung seiner Mimik, wird aber immerhin durch die Maske so entstellt, dass der Zuschauer sein Gesicht nicht auch noch ertragen muss. Dafür ist er aber der Einzige, der Daniel Radcliffe nicht an die Wand spielt. Die Drehbuchautoren werden schon gewusst haben, warum der Darsteller des Titelhelden fast immer von Effekten umgeben ist und wirkliche Schauspielkunst nur in Nebenrollen gefordert wird. Insbesondere an der Stelle, an der Radcliffe unentschieden wirken soll, wird es unfreiwillig komisch. Soll er den Konkurrenten retten oder den sicheren Sieg im Trimagischen Turnier wählen? Den seiner Meinung nach dazu passenden Gesichtsausdruck scheint Radcliffe sich von Fiennes abgeschaut zu haben, es ist nämlich dieselbe Leidensmiene, die dieser in „Der englische Patient“ durch ausschließliche Anwendung über mehr als zwei Stunden perfektioniert hatte. Die Nebenrollen erscheinen dafür sehr respektabel, sowohl Harrys Freunde (Emma Watson als Hermine und Rupert Grint als Ron) als auch der in Liebe entbrannte Hogwarts-Angestellte Hagrid (Robbie Coltrane) sind ebenso wie das wie immer unverändert gebliebene Lehrpersonal (beispielsweise Maggie Smith und Alan Rickman) überzeugend.

Auch die Spezialeffekte sind ansehnlich, etwa der hübsch animierte, tatsächlich gefährlich wirkende Drache, oder die diversen Meerjungfrauen, die so gar nicht „Arielle“-gemäß lieblich sind. Leider verwickelt sich aber das Drehbuch in unzählige Widersprüche, legt nicht wieder aufgenommene Fährten und findet exakt die schlechteste Lösung für das Hauptproblem des Films: Es sollte wohl möglichst viel aus dem Buch auf die Leinwand übertragen werden. Harry Potters Pate etwa, Sirius Black, muss unbedingt erscheinen, damit Gary Oldmans Name in den Credits erscheint und diese im Roman wichtige Figur nicht verloren geht. Für den Film aber ist das sehr überflüssig: Die eine Szene mit Sirius Black könnte entweder problemlos weggelassen oder müsste wieder aufgenommen werden. So wird sehr eindrucksvoll die Gefahr durch Voldemort beschworen, Black bittet um stete Nachrichten – und taucht den gesamten restlichen Film über nicht einmal in einer Erwähnung wieder auf. Damit ist das Werk an mehreren Stellen je nach Sichtweise entweder zu kurz, weil wichtige Handlungsstränge ins Leere laufen, oder zu lang, weil diese dann auch komplett weggelassen werden könnten. Dieses Problem löst die Regie teilweise recht elegant mit diversen Schnitten und Schauwerten, kann aber bei der Vielzahl der betroffenen Stellen die logischen Fehler und wenig stringenten Handlungslöcher auch nicht übertünchen. Zu nennen wären ebenso beispielsweise noch die Andeutungen über eventuelle böse Absichten des Direktors der einen befreundeten Zauberschule oder auch die gesamte Rolle der Sensationsreporterin.

Damit entsteht insgesamt ein zwiespältiges Bild des Films „Harry Potter und der Feuerkelch“: Einerseits gibt es beeindruckende Szenen und Bilder, etwa ein visuell aufregendes Quidditch-Stadion für das Weltmeisterschafts-Endspiel oder ein Diktiergerät der etwas anderen Art, das der Sensationsreporterin gehört. Dazu sind auch stille Momente zu nennen, wie der Ball, auf dem selbst Einbeinige nicht ohne Partnerin bleiben und eine Katze kraulen dürfen, und auch der Einzug der Gastschüler in Hogwarts ist phantastisch choreographiert. Andererseits gibt es aber Handlungslücken, Fehler innerhalb der filmischen Logik, unausgeführte Szenen und den Gesamteindruck, nur die Vorbereitung des fünften Teils von „Harry Potter“ zu sehen. Gerade das Ende des Films, das einen Schluss darstellen sollte, bereitet nur den Boden für Kommendes, so dass der Film insgesamt unentschlossen, überraschend und abrupt endet. In dieses Gesamtbild passen sich dann auch die Schauspielleistungen ein, und böse ließe sich feststellen, dass jede der drei Hauptfiguren bekommt, was sie durch ihre Verkörperung auf der Leinwand verdient: Hermine die Adresse eines charmanten und erfolgreichen Sportstars, Ron immerhin noch den Kuss einer hübschen französischen Dame, und Harry – nun ja, es soll natürlich nicht verraten werden, wen oder was er am Ende in den Armen hält, aber ist sicher nichts fürs Leben.

Trotz dieser Zwiespältigkeit muss deutlich gesagt werden: Der Film ist Mainstream, und dieser Begriff wird häufig abwertend gebraucht. Hier ist er positiv besetzt: Der Film unterhält ohne viel Anspruch, beleidigt aber den Intellekt nicht, er hat Schauwerte, Spannung und Atmosphäre und ist sein Eintrittsgeld wert. Vor allem: Im Gegensatz zu seinen teilweise überaus grausamen Vorgängerwerken ist „Harry Potter und der Feuerkelch“ auch ein Kinderfilm geblieben, der die vorkommende Brutalität in eine größeren Kindern angemessene Leinwandsprache übersetzt und so nicht nur Erwachsenen Vergnügen bereiten kann.(Benjamin Stello)

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