Was hat Dich bloß so ruiniert?

Die aktuelle Band „Babyshambles” von Pete Doherty feiert Debüt

Pete Doherty und die „Babyshambles“ machen aus der Sucht eine Tugend

Wer solche Freunde hat, braucht kein Marketing mehr! Stellen wir uns einen jungen, rockmusikaffinen Menschen vor, der das vergangene Jahr im künstlichen Koma verbracht und von den Weltläufen nichts mitbekommen hätte. Dieser junge Mensch erwirbt käuflich (denn so macht man das!) das Debütalbum der englischen Band „Babyshambles“ und erinnert sich, dass bei denen ja Pete Doherty, der kongeniale wie kaputte Ex-Frontmann der großartigen „Libertines“ singt. Keine schlechten Voraussetzungen für ein solches Album, und in der Tat auch keine schlechte Platte: ein paar echte Abgeher und Ohrwürmer, ein wenig Reggae, ein paar Soundspielereien und die bei den englischen Bands jüngeren Datums obligatorischen Querverweise zu Gruppen wie The Clash, Sex Pistols, The Jam usw. Zeitlos, belebend, „nice to have“. Der geneigte, wieder erwachte Hörer ärgert sich lediglich über den Opener „La Belle et la Bete“, bei dem Supermodel Kate Moss versucht, lasziv und wie einst die Bardot mit Serge Gainsbourg ihren Part zum langatmigen Song beizusteuern. „Das muss doch nicht sein“, denkt der junge Hörer, „sie sollte sich darauf beschränken, in Musikvideos rumzutanzen!“ – Recht hat er, und doch rächt sich nun das Informationsdefizit der vergangenen zwölf Monate – der junge Rockfan hat schlichtweg einiges verpasst.

Falls es Ihnen ähnlich geht, was ja kaum zu glauben wäre: Pete Doherty und Supermodel Kate Moss verband über den Zeitraum des letzten Jahres wohl so etwas wie eine amour fou, die, von den Boulevardmedien frühzeitig aufgegriffen, ihren Höhepunkt in Partyfotos einer koksenden Kate auf dem Cover der „Sun“ fand, woraufhin die junge Mutter einige exklusive Werbeverträge verlor und gelobte, ihr Leben wieder auf Vordermann zu bringen. Im Rahmen des Skandälchens rückte ihr Lover, erwähnter Pete Doherty, dem seit jeher ein exzessiver Lebenswandel nachgesagt wurde und der mit den Libertines das vielbeachtete Debüt „Up the Bracket“ vorlegte, bevor er sich nach einem Einbruch bei seinem Bandkollegen Carl Barat schließlich im Gefängnis wiederfand, in den Focus der einschlägigen Presse. Dem ehemaligen Oxford-Studenten Doherty verdankte die gute Kate Moss – das weibliche role model des „Cool Britannia“ – immerhin ihr Drogenproblem. So der einhellige Tenor. Dabei verklärt der Boulevard den armen Pete gleichsam zum Junkie und po?te maudit, zur Stil-Ikone und zum Wrack (lesenswert: das jüngst erschienene „Bunte-Interview“, angeblich geführt im Londoner Hotelzimmer Dohertys). Und damit schließt sich der Kreis. Doherty und seine Band „Babyshambles“ brachten dieser Tage ihr erstes Album „Down in Albion“ heraus. Darauf singt Kate Moss auf einem Song mit. Davon soll nicht mehr die Rede sein. Vom Rest des Albums schon.

„Down in Albion“ ist eigentlich ein gutes Debütalbum geworden. „Passabel“ trifft es nicht wirklich, denn auch wenn man erahnt, wie zerrissen und auch bedröhnt Doherty und seine Mannen bei den Aufnahmen gewesen sein müssen, verfügen die Songs in der Mehrzahl über Struktur, viel Gefühl und ansprechende Texte. Zum Opener ist alles gesagt, und er lässt sich verschmerzen, denn was folgt ist die grandiose Single „Fuck Forever“, die ein wenig nach den Smiths klingt und mit der schönen Songzeile „Can’t tell the difference between death and glory“ reüssiert. Ähnlich überzeugend ist „A rebours“, der Titel ein Zitat des gleichnamigen Romans des französischen Decadence-Autors Joris-Karl Huysmans, dem sich Doherty verwandt fühlen mag. Auffällig hier wie in den meisten der sechzehn Lieder des Albums ist die ausgeprägte Selbstreflexion des Künstlers Doherty im Umgang mit der interessierten Öffentlichkeit. Er hasst sie und kann doch nicht ohne sie, und gelegentlich meint man beim Hören der Texte mitunter eine selbstironische Note zu vernehmen („Back from the Dead“). Hat sich der Musiker Doherty vielleicht schon eingerichtet in der Rolle als Sid-Vicious-Epigone? Das Album seiner Band hat in jedem Fall deutlich mehr Substanz als die Solo-Versuche des Sex-Pistols-Bassisten. „Pipedown“ und „8 Dead Boys“ rocken gut und sehr britisch, „Killamangiro“ klaut gnadenlos – aber nicht uncharmant – bei den Clash, „In Love with a Feeling“ kommt als melodiöse Ballade mit viel Herzschmerz. Insgesamt ist die zweite Hälfte von „Down in Albion“ wesentlich besinnlicher als der recht stürmische Beginn des Albums. „Pentonville“ darf als missglückter Reggae durchaus als Ausfall vermerkt werden, „Loyalty Song“ dagegen hätte mit Mundharmonika und Akustik-Set auch auf „Sticky Fingers“ keine ganz schlechte Figur gemacht.

Zum Abschluss das düster pumpende „Up the Morning“ und „Merry Go Round“, ein getragen folkiger Abschluss des Albums, der disharmonisch ausklingt. Insgesamt wirkt „Down in Albion“ aber nur streckenweise rau und improvisiert und besticht vor allem durch die ruhigeren Nummern. Zwei Ausfälle nur auf einem Album, um dessen Entstehung sich bereits jetzt Legenden ranken – das kann sich doch sehen und hören lassen. Es bleibt der fromme Wunsch, Pete Doherty und die Seinen mögen ihre Dämonen soweit zähmen, dass auch ein Nachfolger von „Down in Albion“ irgendwann einmal in den Plattenläden zu haben ist. Und dass er sich für den Zweitling eine talentiertere Duett-Partnerin zulegt – wenn dann auch eine mit weniger Cross-Selling-Potenzial.(Roland Leithäuser)

Tracklist:
1. La Belle Et La Bete
2. Fuck Forever
3. A rebours
4. The 32nd Of December
5. Pipedown
6. Sticks & Stones
7. Killamangiro
8. 8 Dead Boys
9. In Love With A Feeling
10. Pentonville
11. What Katy Did Next
12. Albion
13. Back From The Dead
14. Loyalty Song
15. Up The Morning
16. Merry Go Round

Babyshambles: Down in Albion
Rough Trade

www.babyshambles.net

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.