„You made me a monster”, eine Performance von William Forsythe in Frankfurt (Steffen Kühn)

„You made me a monster“

Performance – Installation von William Forsythe
Premiere – 28. Mai 2005, Venedig, Teatro piccolo Arsenale
Eine Produktion der Forsythe Company – Frankfurt am Main/Dresden in Koproduktion mit „La Biennale de Venezia“ und „Tanz August 2005 – Internationales Tanzfest Berlin“

William Forsythe – Regie
Georg Reichel, Jone San Martin, Ander Zabala – Performer am 8.12.05
Philip Bußmann – Video
Dietrich Krüger / Niels Lanz – Sound
Michael Wagner – Technik / Licht
Julian Richter – Koordination
Marion Rossi – Stage Management
Andreas Breitscheid/Manuel Poletti – Voice-Treatment/dsd-programming in Zusammenarbeit mit den „Forum Neues Musiktheater Staatsoper Stuttgart“

Donnerstag, 8.12.2005, 20.00 Uhr
Bockenheimer Depot, Frankfurt am Main

Basteln mit William Forsythe

Das riesige Bockenheimer Depot ist im Dunkeln versunken. Auf lose im Raum verteilten Tischen werden bizarre Papierkonstruktionen grell angestrahlt. Zahlreiche Helfer platzieren die Zuschauer in Gruppen an den Tischen und geben Einweisungen. Papiervorlagen sollen gefaltet und verkettet werden, so dass die Konstruktionen weiterwachsen. Außerdem kann man versuchen, die Schattenrisse der Konstruktionen nachzuzeichnen. Ein William Forsythe zwischen Bastelnachmittag und Gruppentherapie?

Wie zufällig liegt ein Text herum: „Mein Frau – ein Tanzgenie – litt qualvoll an Krebs. Sie hatte die Reflexe eines Tieres und den Instinkt eines Mathematikers. Sie konnte jeden gegebenen Moment zu Ende tanzen. Zwei Monate nach Weihnachten starb sie, ein Weihnachtsgeschenk eines Freundes war ein lebensgroßes Pappmodell eines menschlichen Skeletts zum Selberbasteln. Jahre später beginnt jemand, das Modell zusammenzufügen, ohne dabei auf die Anleitung zu achten.“ Heute also bastelt das Publikum. Fünfzehn Minuten hat man Zeit, sich auf dieses Spiel einzulassen, dann beginnen sphärische Geräusche. Zwei Tänzer und eine Tänzerin tauchen nacheinander auf. Über Mikrophone werden mit der Stimme erzeugte Geräusche übertragen, elektronisch verfremdet, echohaft füllen sie den Raum. Zusätzlich sind die Tänzer mit Sensoren ausgestattet, welche die Bewegungen direkt in akustische Aktionen umsetzen. Hier folgt die „Musik“ in Umkehrung konventioneller Choreografien der Bewegung. Die improvisierten Aktionen der Tänzer bewegen sich in zwei Kategorien. Die Frau ist nahe am Text, sie gibt dem Schmerz, dem Leiden eindrückliche Bilder, in ihrer Fragilität bewegt sie sich zudem nahe an den geheimnisvollen Papiergebilden. Im Kontrast die männlichen Performer: In schroffen abgehackten Bewegungen wird tiefe Verzweiflung deutlich, energiegeladen versucht man, sich gegen das Unausweichliche zur Wehr zu setzen. Die fremden elektronischen Geräusche werden zum Teil von klassischen Tönen abgelöst. Nach frei improvisierten Aktionen zwischen den Tischen finden sich die drei Performer am Ende in einer klassischen Frontalsituationen (mit Notenständer) zusammen. Die vom Publikum gezeichneten Schattenrisse dienen dabei als „Partitur“.

Die Konzeption des Stückes überzeugt durch die Konsequenz mit der dem Publikum eine ähnliche Freiheit eingeräumt wird wie den Akteuren selbst. Man kann eigenständig bestimmen aus welcher Perspektive man den Aktionen folgen will: Stehend oder im imposanten Depot umherwandelnd. Die Beschäftigung mit dem Papiervorlagen verleiht dem Erlebnis eine aufregende Authentizität. „You made me a monster“ ist ein wunderbares Beispiel dafür, wie freier Tanz, freies Theater funktionieren kann, wenn auch der Zuschauer, der Zuhörer mit in die Konzeption einbezogen wird.

(Steffen Kühn)

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