Brot und Tod

Eine Münchner Ausstellung ehrt das Werk Pier Paolo Pasolinis

Was Sie immer schon über Pier Paolo Pasolini wissen wollten, werden Sie in dieser Ausstellung nicht erfahren. Die Münchner Pinakothek der Moderne hat die ehrenvolle Aufgabe übernommen, anlässlich des 30. Todestages des Publizisten, Dichters und Filmemachers Pasolini eine Würdigung in Form einer bundesweit besprochenen Ausstellung zu kuratieren. Doch bleibt sie dabei in Allgemeinplätzen und buchstäblichem „Stückwerk“ über den Provokateur Pasolini stecken. Nichts, was man nicht schon aus den zahlreichen Nachrufen oder der hervorragenden Biografie Enzo Sicilianos wüsste, wird hier gezeigt und inszeniert. Den Anspruch, die jenseitigen Facetten des Werks Pasolinis in einem Triptychon aus öffentlichem, privatem und filmischem Kosmos zu erfassen, scheitert schon im Ansatz.

Dabei sind die äußeren Bedingungen wie gemacht für eine große Würdigung des vielfältigen Werks des 1922 im Friaul geborenen Pasolini. Die imposante Kulisse der Pinakothek der Moderne schafft mit ihrer kühlen Architektur einen Rahmen, der dem Künstler Pasolini selbst wohl auch gefallen hätte. Wer nun aber eine umfassende Werkschau erwartet, eine stimmig kuratierte Anordnung aus biographischen Notizen, Werkschau und bisher Ungezeigtem, wird weitgehend enttäuscht. Über drei Räume nur erstreckt sich die pompös angekündigte Ausstellung „Pasolini und der Tod“. Der erste ist gleich einer dunklen, engen Straße angeordnet und versammelt Erstausgaben der Bücher Pasolinis, Zeitungsausschnitte und Fotos. Exemplarisch zeigt dieser exponierende Teil der Ausstellung die öffentliche Person Pasolini, ein künstlerisches Leben im Nachkriegsitalien zwischen Vergötterung und Verdammung: Zensur, öffentliche Prozesse und Anklagen, das mediale Echo auf seinen gewaltsamen Tod, der in seiner Brutalität und Skandalisierung den Kulminationspunkt des Werkes wie des Lebens von „P.P.P.“ bedeutet und bis heute nachwirkt. Was wirklich in der Nacht vom 1. auf den 2. November 1975 auf jenem Bolzplatz am Strand von Ostia geschah, bleibt mysteriös. Der damals als Täter verhaftete und verurteilte Strichjunge, gleichsam wie eine Figur aus Pasolinis Debütroman „Ragazzi di vita“ entsprungen, erklärte in diesem Jahr, nach seiner Freilassung in einem Fernsehinterview, er sei nicht der Mörder Pasolinis. Feinde hatte er wahrlich genug, als Kritiker von Kirche und ehrenwerter Gesellschaft, undogmatischer Kommunist und bekennender Homosexueller. Die Münchner Ausstellung allerdings zieht daraus den Schluss, die Vorwegnahme des eigenen Todes sei dem Werk Pasolinis stets immanent gewesen.

Die Belege aber bleiben dürftig. Der zweite Raum zeigt überwiegend handschriftliche Notizen, Entwürfe, Skizzen und fragile Handzeichnungen Pasolinis. Zitate aus seinen Schriften an den Wänden sollen den Eindruck verstärken, dieses Leben habe von Anfang an nur eine bedingungslose Hingabe zur Kunst zum Ziel gehabt. Doch sprechen gerade die selten gezeigten Zeichnungen eine andere Sprache. Die frühen Radierungen und Striche der 1940er Jahre atmen noch den Geist des jugendlichen Poeten aus dem Friaul, zeigen Landschaften, Selbstporträts. In den 60ern nimmt sich Pasolini neben der Arbeit an den vielen Filmprojekten immer wieder die Zeit, die unmittelbare Umgebung, aber auch Ideen für Kulissen und Landschaften. Besonders stechen hier die „Callas-Porträts“ heraus, die während Pasolinis Dreharbeiten mit der weltberühmten Diva für „Medea“ entstanden und Zeugnis davon geben, wie innig die Beziehung der beiden schwierigen Künstler gewesen sein dürfte. Intim und mitunter gar verletzlich wirken die Zeichnungen, auch wenn manches nur so „hingeworfen“ und mit wenig Akribie gemacht zu sein scheint. Die späteren Bilder und Pastiches sind dann von einer Kargheit, die tatsächlich eine Lebenskrise dokumentiert, die Zerstörung eines inneren Gleichgewichts.

Vermitteln diese Bilder und Zeichnungen einen Eindruck in das Gesamtwerk Pasolinis, der sich abseits von politischem Agieren und expressiver Wort- und Filmkunst bewegt und die Gebrochenheit der Person des sich zu keiner Strömung und keiner Weltanschauung zugehörig fühlenden Multitalents veranschaulichen (indes keine bisher unentdeckte Seite Pasolinis), werden diese im dritten Raum gänzlich aufgehoben und grell überdeckt. In dem dunklen Raum werden auf zwölf großformatigen Projektionsflächen Filmszenen aus zwölf filmischen Arbeiten Pasolinis endlos geloopt – im Ergebnis eine Kakophonie aus Bildern und Kamerafahrten, Dialogen und Musik, die aber – anders als im Text der Kuratoren zur Ausstellung formuliert – kein stimmiges Bild ergeben, sondern höchst irritierend wirken. Hier sieht man das filmische Werk Pasolinis exemplarisch auf seine lauten und dissonanten Momente beschränkt. Dass die großen Filme wie „Accattone – Wer nie sein Brot mit Tränen aß“, „Teorema“, „Das 2. Matthäus-Evangelium“ oder das besonders skandalisierte „Salo – Die 120 Tage von Sodom“ ihre besondere Stärke in der Zerrissenheit der Charaktere, dem wundersamen Zusammenspiel von Musik und Bild, und auch in der Stille haben, wird hier völlig außer Acht gelassen. Diese Idee der Projektion ist zum einen nicht neu, in Pasolinis Fall greift sie zum anderen viel zu kurz, um das fulminante cineastische Wirken eines Mannes zu würdigen, der erst spät zum Film kam und ihn in seiner Zeit und darüber hinaus doch maßgeblich prägte.

Insofern ergibt sich nach einem notgedrungen kurzen Rundgang durch diese Ausstellung ein kohärentes Konzept nur, wenn man die Unvollständigkeit jedes der drei Ausstellungsteile anerkennt. Die Auslassung aber haben die Kuratoren eben nicht zum Stilprinzip erhoben. Es bleibt ein schaler Nachgeschmack. Abseits der Feuilletons wurde Pasolinis 30. Todestag in Deutschland kaum wahrgenommen. Die Münchner Ausstellung „Pasolini und der Tod“ ist nicht dazu angetan, ein lebendiges und dem Wirken Pasolinis angemessenes Bild zu zeichnen. Man halte sich vorerst besser an seine Filme und Bücher. Sie erzählen viel mehr, als diese Ausstellung uns glauben machen will.

P.P.P.
Pier Paolo Pasolini und der Tod
17.11.2005 – 05.02.2006
Pinakothek der Moderne, München
www.pinakothek-der-moderne.de
Der Katalog zur Ausstellung erscheint im Hatje Cantz Verlag
Die Bilder entstammen dem Katalog

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