Bewaffneter Widerstand: Iain Levisons Roman „Betriebsbedingt gekündigt”

Buchbesprechung:
Iain Levison: „Betriebsbedingt gekündigt“
Roman. Aus dem Amerikanischen von Hans Therre
Matthes und Seitz Berlin, 2005


Der bewaffnete Widerstand
Vom einfachen Fabrikarbeiter zum Auftragskiller
oder: wie es der freien Marktwirtschaft gelingt,
unsere Moralvorstellungen zu verwerfen.

Jake Skowrans kämpft sich durch die tägliche Sinnlosigkeit seines Daseins, nachdem seine Arbeitgeber die Fabrik in eine Billiglohnregion verlegt haben. Die einst blühende Heimatstadt verkommt zu einem schäbigen Ort der Leere, die Mitmenschen sind, wie Jake selbst, arbeitslos und verschuldet. Seine Freundin verlässt ihn, da sie ihr Leben nicht mit einem Verlierer des Turbokapitalismus verbringen möchte. Jake, zynisch und wütend, analysiert die Geschehnisse und hofft dennoch auf eine Chance, sein altes Leben wiederherzustellen.

Ken Gardocki, der Obergauner der Stadt und damit einer der wenigen, die noch in Würde leben können, bietet ihm diese Chance. Jake heuert als Auftragskiller an – und dies mit all den Tugenden, die ihn als Fabrikarbeiter ausgezeichnet hatten. Pflichtbewusst, sorgfältig und schnell führt er seine Aufträge aus. Der Revolver löst einige seiner Probleme, vor allem aber bringt er Sinn und Würde zurück in sein kaputtes Leben. Jake wünscht sich nun nur noch die Unabhängigkeit von Ken Gardocki, eine Frau an seiner Seite und ein geregeltes Leben. Doch auch die Polizei hegt einen Wunsch – den Wunsch, einen Mörder zu fassen – und kommt Jake dabei mehr und mehr auf die Schliche?

Oberflächliche Kritik am zügellosen Kapitalismus findet sich derzeit zur Genüge in den Bücherregalen der Buchhandlungen. Warum also benötigen wir noch eine weitere Geschichte, die einem längst bekannten Dilemma unserer Zeit Leben einhaucht. Bereits nach wenigen Seiten des neuen Romans von Iain Levison wird die Antwort klar. Levisons Protagonist Jake tickt anders als viele seiner Leidensgenossen im Bücherdschungel des 21. Jahrhunderts. Er jagt nicht einem unerreichbaren großen Traum hinterher oder schaut neidisch auf die Großverdiener der Gesellschaft. Jake ist ein einfacher, kluger Mann mit einfachen, bescheidenen Wünschen. Er wünscht sich nichts sehnlicher als ein abgesichertes Leben in der Heimatstadt, eine Freundin, einen Kneipenbesuch am Abend und natürlich einen festen Job.

Mit dem Verlust seiner Arbeit fängt er an zu begreifen, wie sich die komplette Existenzsicherung der Menschen objektiviert hat und an welch rationale Marktgesetze man sich ausgeliefert hat, die nun in Form struktureller Massenarbeitslosigkeit ihren logischen Ausdruck finden. Auf wunderbar zynische Art und Weise schildert uns Jake, wie er sich fühlt, seit der Arbeitgeber die Stadt verließ. Komplizierte Formeln der Wirtschaftswissenschaften bricht Jake herunter zu einfachen Sätzen über die Auswirkungen der Globalisierung auf sein eigenes kleines Leben. Er ist das Anti-Beispiel des amerikanischen Traums: intelligent und gewillt, etwas auf die Beine zu stellen, jedoch blockiert von einem System, das ihm und seiner Stadt keine Chance auf ein zufriedenes Leben mehr bietet.

Levison bedient sich in seiner Erzählung keiner komplizierten Phrasen oder philosophischen Kritikansätze. In einfacher und klarer Sprache beleuchtet er die Auswirkungen des wachsenden marktwirtschaftlichen Wettbewerbs auf die Gesellschaft und den Einzelnen. Den Lauf der Dinge werden Bücher wie „Betriebsbedingt gekündigt“ nicht ändern können, doch gelingt es Iain Levison mit Bravour, das perverse Abhängigkeitsverhältnis, in dem sich Menschen befinden, und die klaffende Schere zwischen Arm und Reich zu illustrieren.

(Florian Fromm)

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