Elvis war nie toter

Der Graphikdesigner Christoph Feist schneidet Alltägliches in Holz

Baumärkte, Plattensiedlungen, Parkplätze – triste Lebensräume, die diese Bezeichnung im eigentlichen Sinn nicht verdienen und uns doch täglich begegnen. Diese Orte sind vorrangige Motive der Holzschnitte des Graphikdesigners Christoph Feist. Die Arbeiten, welche die Gleichförmigkeit der modernen Lebenswelt thematisieren und ihre Künstlichkeit und Beliebigkeit abbilden, sind nun im Erfurter Kulturhof „Zum Krönbacken“ zu sehen.

Von Katalogen, Filmen, Musiktexten und Architektur inspiriert, befragt der 1973 geborene Feist das Alltagsbanale nach dessen Logik und ästhetischem Potenzial, um diese durch Reinszenierung zu hintertreiben und die allgegenwärtige Monotonie zu spiegeln. Als Medium nutzt Feist die alte Drucktechnik des Holzschnittes, die der Absolvent der Leipziger Hochschule für Grafik und Buchdruckkunst augenscheinlich gut beherrscht. Als Schnittmaterial dienen MDF-Platten, die Symbole des modernen Möbelbaus. Glatt und ohne Maserung lassen sie auf den Blättern die Drucktechnik kaum erkennen. Feist setzt seine öden Räume in Schwarz-Weiß in Szene oder auf die drei Grundfarben reduziert, wobei erst durch zigfache Überlagerung Vielfarbigkeit entsteht. In der Gestaltung überwiegen klare geometrische Formen, die gegeneinander gesetzt Spannung erzeugen. Diese allerdings findet sich im üppigen Einsatz von Dekoration und Zierrat – in den Schwarz-Weiß-Arbeiten gleichsam wie Intarsien anmutend – aufgehoben. Durch diese ornamentale Überladung entwickeln die zunächst übersichtlich scheinenden Blätter ihre eigentümliche Wirkung und ziehen den Blick ins Labyrinth der Details. Aus diesem heraus erkennt man plötzlich die Beliebigkeit und Tristesse der dargestellten Szenerie. Im ästhetischen Spiel werden vertraute Orte und Objekte fremd, verlieren ihre Selbstverständlichkeit und werfen die Frage auf, wer sich hier entfremdet hat. Feists Blätter bilden Räume ab, die Trostlosigkeit ausdrücken und Beklemmung auslösen.

Der Wirkung nach lassen sich die Arbeiten in zwei Typen unterscheiden. Die kleinen und mittleren Formate sind abgeschlossen. Wie Puppenstuben oder Modellbausätze sind sie Kästen, in denen man wie durch ein Schlüsselloch eine Momentaufnahme erblickt. Diese Bilder der geschlossenen Abteilung erschließen hermetische Räume, deren Enge und Ereignislosigkeit jede Lebensluft ersticken. Da ist etwa eine Kahlschlaglandschaft. Inmitten der Armada von Baumstümpfen steht eine Blockhütte vor der andächtig ein Cowboy sitzt und die ihn umgebende Öde nicht zu bemerken scheint.

Die großflächigen Werke betonen die Wiederholbarkeit. Hier findet sich ein und dieselbe Szenerie in vielfacher Variation aneinandergereiht. Die Drucke sind als offene Tableaus angelegt, auf welchen sich die Reihung unendlich weiterführen lässt und sich das Beliebige wieder und wieder einschreibt. Der Querschnitt eines Neubaublocks beispielsweise bildet die möblierte Normierung unserer Lebenswelt ab. Wohnung für Wohnung wird die mögliche Kombinatorik von identischen Einrichtungsgegenständen durchdekliniert. Doch egal wo Kleiderständer, Bett oder Stuhl zu stehen kommen, die Tristesse der Wohnraumkisten hebeln sie nicht aus. Hier findet jene Wiederkehr des Ewiggleichen Ausdruck, welche ein bestimmender Moment für die Moderne und ihrem Faible für die Reproduktion ist.

Die Arbeiten Christoph Feists zielen auf die Grundstrukturen unserer Alltagswelt und spiegeln deren akzentloses Einerlei unserer schönen, neuen Welt teils hintersinnig, teils resignierend, aber immer eindrucksvoll wider. „Elvis war nie toter“ ist ein verstörender Titel für diese Ausstellung und doch passt er: Irgendeiner Musikkritik entrissen ist er gerade darum plakativer Ausdruck der zur Schau gestellten Beliebigkeit.

Elvis war nie toter
Christoph Feist – Farbholzschnitte
Kulturhof „Zum Krönbacken“, Erfurt
18. Februar bis 19. März 2005
Eintritt frei – Ausstellungskatalog 18 €
www.kroenbacken.de
www.bildbuero.de

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