„V wie Vendetta”, der neue Film der „Matrix”-Macher (Benjamin Stello)

V wie Vendetta (V for Vendetta)
GB / D 206
Regie: James McTeigue
Drehbuch: The Wachowski Brothers nach dem Comic von David Lloyd
Darsteller: Natalie Portman, Hugo Weaving, Stephen Rea, John Hurt, Stephen Fry
Kinostart: 16. März 2006 Operettenhafte Mischung aus Drama und Aktion

Hört man das Wort „Vendetta“, das der hier zu besprechende Film im Titel trägt, ist die Assoziation zur italienischen Oper wohl unvermeidlich. Dazu ist bereits in der ersten Szene die Maske einer der Hauptfiguren zu sehen, die stark an das „Phantom der Oper“ erinnert. Ein Film also wie Oper, Operette oder Musical? Ja und nein.

Entstanden nach den Comics von David Lloyd, zeigt „V wie Vendetta“ eine Geschichte aus der nahen Zukunft Englands. Im Jahre 2020 herrscht ein totalitäres Regime unter der Führung des Kanzlers Adam Sutler, nachdem diverse Bürgerkriege und der Untergang der einstigen Weltmacht USA auf verschiedenen Kampffeldern das Feld für eine religiös-konservative Regierung bereitet hatten. Diese sorgt für Sicherheit, aber auch strikte Intoleranz gegenüber Abweichungen, etwa Homosexualität, und beschäftigt eine Geheimpolizei mit umfassenden Machtbefugnissen, die einem Mann namens Creedy unterstellt ist. Die junge Evey läuft dreien der von ihm beschäftigten Spitzel nach dem Ende der Ausgangszeit in die Arme, wird aber aus größter Not von „V“ befreit. Dieser, während des ganzen Films nie ohne Maske zu sehen, zeigt ihr die Zerstörung des Gerichtsgebäudes, die er in dieser Nacht per Sprengung durchführt, und seitdem sind beider Schicksale verknüpft. Da durch V weitere Aktionen offen angekündigt werden, die das herrschende Regime nur als terroristische Akte auffassen kann, wird der gesamte Apparat in Bewegung gesetzt, um beide zu finden. Insbesondere Inspektor Finch ermittelt erfolgreich, kommt aber stets einen Schritt zu spät, bis er auf Geheimnisse stößt, die selbst einem hohen Regierungsbeamten nicht mitgeteilt werden…

Der Film schwankt zwischen ruhigen Gesprächs- und lauten Aktionsszenen. Ähnlich wie eine Operette, in der auf musikalische Szenen solche mit Dialogen folgen, arbeitet „V wie Vendetta“ mit langen Ruhepausen zwischen den Knalleffekten. Das muss durchaus nichts Negatives sein, kann er sich doch auf großartige Schauspieler stützen: Natalie Portman verkörpert Evey, und nicht ohne Grund ist sie eine der am meisten nachgefragten Jungdarstellerinnen. Seit sie in Luc Bessons „Leon – der Profi“ als junges Mädchen ihr Leinwanddebüt gab, ist sie unter anderem in Blockbustern wie Tim Burtons „Mars Attacks!“ und George Lucas‘ neuen „Star Wars“ zu sehen gewesen, daneben aber auch in großartigen kleinen Filmen wie „Wo das Herz ist“, „Überall, nur nicht hier“ und vor allem „Garden State“. Stets überzeugte Portman, und das ist auch hier der Fall. Mit unglaublicher physischer Präsenz spielt sie insbesondere auch die Folterszenen in der Mitte des Films, und sie findet drei kongeniale männliche Partner. Mit ähnlich ausgeprägtem Charisma spielt Stephen Rea („The Crying Game“, „Still Crazy“) den ermittelnden Inspektor, der immer tiefer in ein Geflecht aus Geheimnissen und Verrat eintaucht. Hugo Weaving, vor allem bekannt als Agent Smith aus der „Matrix“-Trilogie und Elbe Elrond aus dem „Herrn der Ringe“, hat es noch schwerer, weil er als V die Maske nie abnehmen darf und damit praktisch gesichtslos spielen muss. Das gelingt ohne Abstriche hervorragend, das Darstellen mit dem gesamten Körper ist ähnlich leinwandfüllend wie das Spiel seiner Filmpartner. Schließlich darf William Hurt, der in „1984“ noch das Opfer des totalitären Regimes war, den Kanzler mimen und macht dies mit einem derart glaubwürdigen Fanatismus, dass verstehbar wird, wie diesem Mann die Massen folgen konnten.

Die Geschichte selbst bezieht ihre Anleihen relativ unverhohlen aus Arbeiten der ersten Hälfte des letzten Jahrhunderts. George Orwells Roman „1984“, in welchem die Idee des Überwachungsstaates grundgelegt worden ist, kann an vielen Stellen wiedergefunden werden, nicht nur durch die verwanzten Zimmer und die Geheimgefängnisse. Für den Kanzler sind nicht nur äußerlich Anleihen bei Adolf Hitler gemacht worden, sondern auch beispielsweise für die Beschreibung dessen Weges an die Macht. Das Überwachungssystem erinnert nicht zufällig an GeStaPo und Stasi: Es ist relativ deutlich, wo die Quellen des Films liegen. Das ist auch nicht weiter schlimm, weil die Geschichte trägt: Das hätte vom Stoff her ein großartiger Film sein können.

An dieser Stelle kommt aber das Drehbuch ins Spiel. Und das ist, man muss es leider sagen, unterirdisch. Die Dialoge klingen fortwährend wie hohle Phrasen, der Aufbau der Handlung ist äußerst unprofessionell durchgeführt, selbst wichtigere Nebenfiguren wie ein Fernseh-Comedystar bleiben merkwürdig flach und die Zufälle, welche die Handlung weiterführen helfen, wenn sie sich gänzlich zu verfahren scheint, sind teilweise an den Haaren herbeigezogen. Wenn man bedenkt, wie relativ intelligent sich die Autoren Wachowski beispielsweise noch den ersten Film der „Matrix“-Trilogie ausgedacht haben, ist das völlig unverständlich, dagegen kann selbst die Regie nichts ausrichten.

Diese liegt in den Händen des Neulings James McTeigue, der erster Assistent der Wachowskis während besagter „Matrix“-Filme gewesen ist und hier sein Debüt als Regisseur gibt. Seine Stärken liegen ganz klar in den Aktionsszenen: Hier findet McTeigue teilweise sehr intensive Bilder. Insbesondere der Beginn der Revolution ist faszinierend inszeniert: Tausende Dominosteine fallen in einem Zimmer zu einem bestimmten Muster um, als ein einzelner angestoßen wird, und ebenso wird draußen in den Straßen aus dem Protest einer einzelnen Person ein Massenaufruhr. An dieser Stelle werden private und äußere Welt kongenial symbolisch verbunden. Auch die Effektsequenzen sind von sehr guter Qualität. Leider scheint McTeigue andererseits kein Regisseur der leisen Zwischentöne zu sein. Trotz der sehr guten Schauspieler gelingt es ihm nur sehr selten, die Dialogszenen interessant zu gestalten: Viel zu lang, ohne Spannungsbogen und uninspiriert plätschern diese vor sich hin, sodass man sehnsüchtig auf die nächste Aktion wartet. Auch das teilt der Film also mit der Operette: Die hohlen Dialoge müssen hier wie dort als Lückenfüller dienen, um zur nächsten Gesangs- beziehungsweise Actionszene gelangen zu können: Damit ist gut die Hälfte des Films einfach nur langweilig. Und zur Oper fehlt ihm das Moment des Durchkomponierten: Dieses filmische Werk stellt sich zweigeteilt dar.

Die Bilder sind dafür berauschend. Dem erfahrenen Kameramann Adrian Biddle gelingen wunderschöne Perspektiven, insbesondere die Totalen der futuristischen Stadt sind nicht nur hervorragend ausgestattet, sondern auch gefilmt. Auch bildliche Spielereien wie Zeitlupen, Schleiereffekte der Geschosse und ähnliches tragen ihr Teil dazu bei, dass der Film zumindest in den Aktionssequenzen funktioniert. Untermalt wird das alles durch die funktionale Musik Dario Marianellis.

„V wie Vendetta“ ist damit ein Film geworden, der im Mittelmaß stecken bleibt. Potential für ein wirklich gutes Werk ist zweifellos vorhanden gewesen, aber dann hätten auch die leisen Töne berühren müssen. So bleiben mitreißende Aktionsszenen und langweilige Gesprächssequenzen weitgehend unverbunden nebeneinander stehen, und das können weder die hervorragenden technischen Mittel noch die ebenso guten Schauspieler ausgleichen. Kein Film, über den man sich ärgern müsste, aber auch weit entfernt von einem Meisterwerk, kann „V wie Vendetta“ durchaus einen Abend nett füllen – aber nur, wenn man nichts Wichtigeres zu tun hat.(Benjamin Stello)

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