Mozartjahr? Haydnjahr!

„Zauber der Musik“: Ein Konzert zum 200. Todestag Michael Haydns

Dass 2006 ein Mozart-Jahr ist, dürfte sich herum gesprochen haben. Aber wer weiß schon, dass wir ebenfalls ein Haydn-Jahr zu feiern haben? Doch Moment: Welche runde Zahl gibt es denn bei Joseph Haydn zu feiern? Geboren 1732, gestorben 1809, da müssten wir doch noch bis 2009 warten? Das stimmt zwar, doch geht es hier gar nicht um Joseph Haydn, sondern um dessen jüngeren Bruder Michael Haydn (1737-1806), dessen 200. Todestag in diesem Jahr begangen wird. Michael Haydn war zu Lebzeiten ein überaus erfolgreicher Komponist. Dass der Ruhm seines Bruders den seinen heute bei weitem überstrahlt, ist Pech; dass seinem Jubiläumsjahr durch dasjenige Mozarts auch noch die Show gestohlen wird, ist gleich doppeltes Pech. Doch im jüngsten „Zauber der Musik“ erbarmte sich der MDR des Jubilars und brachte sein „Schrattenbach-Requiem“ zur Aufführung, welches zu Haydns bedeutendsten Kompositionen gezählt wird.

Eröffnet wurde das sehr gut besuchte Konzert jedoch mit zwei Werken des jungen Mozart. Man darf annehmen, dass die zwar durchaus unterhaltsame, aber doch noch recht konventionelle Sinfonie KV 43 sicherlich nicht gespielt worden wäre, wenn sie ein anderer Komponist geschrieben hätte. Natürlich ist es interessant, wenn im großen Saal des Gewandhauses vor hunderten von Zuhörern andächtig die Komposition eines Elfjährigen zelebriert wird – doch reicht dies als Legitimation für eine Aufführung? Würde ein Pianist im großen Saal auf dem Steinway ein belangloses Menuett spielen, nur weil Mozart es im Alter von fünf Jahren komponiert hat? Auch die im Konzert folgende Grabmusik KV 42 bedarf des Wunderkind-Effekts, um noch halbwegs zu interessieren. Da können die hervorragende Joanne Lunn als Engel (Sopran) und Stephan Genz als Seele (Bariton) sich noch so sehr mühen: Das Werk bleibt ein musikalisch wie auch textlich mittelmäßiges Allegorienstück. Natürlich kann man nur bewundern, mit welcher Souveränität Mozart schon als Kind sein musikalisches Handwerk beherrschte; doch das war’s dann auch. Das Orchester unter Edward Gardner blieb weder der Sinfonie noch der Grabmusik etwas schuldig, sondern machte das beste aus den Stücken, was aber eben hier leider nicht allzu viel war.

Nach der Pause dann das „Schrattenbach-Requiem“. Schon der Beginn der recht kurzen Komposition verrät, was im Programmheft noch biografisch untermauert wird: Mozart hat sich für sein eigenes Requiem kräftig bei Haydn bedient. Aber nun einmal Mozart beiseite!

Michael Haydns Requiem lohnt in jeder Hinsicht die Bekanntschaft. Wie schon erwähnt, ist es im Umfang recht knapp gehalten. Haydn konzentriert sich auf die Kernaussagen und verzichtet auf häufige Wortwiederholungen, da er noch deutlich im Kontext der tatsächlichen Totenmesse komponiert. Das verrät schon die Verwendung der damals im Salzburger Dom bei festlichen Anlässen üblichen Besetzung mit vier Trompeten sowie Pauken und Posaunen. Besonders erwähnenswert ist der planvolle Wechsel von Chorabschnitten und solistisch besetzten Partien. Der durch würdevollen Ernst überzeugende, angesichts des sehr kleinen Orchesters aber viel zu große Chor (soviel Kritik muss sein!) und das von Gardner umsichtig geleitete MDR Sinfonieorchester, nicht zuletzt aber auch die durchweg gut besetzten Solostimmen trugen jeweils das Ihre dazu bei, diese Aufführung zu einem überzeugenden Plädoyer für dieses zu Unrecht so selten gespielte Stück werden zu lassen. Ein willkommener Beitrag zum Haydn-Jahr 2006 – wer braucht da schon Mozart!?

MDR „Zauber der Musik“, 5. Konzert

Wolfgang Amadeus Mozart: Sinfonie KV 43, Grabmusik KV 42
Michael Haydn: Requiem MH 154 („Schrattenbach-Requiem“)

MDR Sinfonieorchester und Rundfunkchor
Joanne Lunn, Sopran; Anke Vondung, Alt
Christoph Genz, Tenor; Stephan Genz, Bariton
Dirigent: Edward Gardner

12. März 2006, 19.30 Uhr, Gewandhaus, Großer Saal

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