Das andere Hollywood: Steven Gaghans „Syriana” und die Arbeit von „participant productions” (Lina Dinkla)

Syriana
USA 2005, 128 Min
Regie und Buch: Stephen Gaghan
Darsteller: George Clooney, Matt Damon, Jeffrey Wright, Amanda Peet
Kinostart: 23. Februar 2006

Fotos: WarnerDas Erbe der participants productions
am Beispiel des Films „Syriana“

Mit Syriana hat Stephen Gaghan nach seinem Drehbuch zu Steven Soderberghs Traffic ein weiteres Stück kunstvoll verwobenen Episodenkinos vorgelegt, das hoffentlich Diskussionen anregt, die es verdient hat.
Doch nicht nur der Film an sich ist beachtlich, sondern auch der Grad an gesellschaftlichem Engagement, dem sich die Produktionsfirma participants productions verschrieben hat. Zu den jeweiligen schon und noch nicht realisierten Filmprojekten sind Meinungsforen eingerichtet, die auf ganz unterschiedliche Missstände aufmerksam machen wollen und eine Plattform für Diskussionen und Hintergrundinformationen jenseits offizieller Statements anbieten. Der Film North Land beispielsweise behandelt das immer noch weitestgehend ignorierte Thema der sexuellen Belästigung am Arbeitsplatz und auf der dazugehörigen Seite melden sich Frauen zu Wort, die Opfer derselben geworden sind und auf diese Weise ihr Schweigen brechen und sich mit ebenfalls Betroffenen austauschen. Die Relevanz von Pressefreiheit und -unabhängigkeit ist das Anliegen von Good night, and good luck und Syriana behandelt das Problem der fehlenden Alternative zum Rohstoff Öl, welches immer noch Hauptenergielieferant der Welt ist und die möglichen Konsequenzen, denen sich die USA zu stellen haben.
Es sind allesamt Filme, die nicht ausschließlich unterhalten, sondern zudem eine Öffentlichkeit für bestimmte Zustände in der Welt herstellen wollen. Participants productions hat offenbar ein etwas anderes Verständnis von der gesellschaftlichen Aufgabe, die dem Medium Film zuzukommen hat, als die meisten anderen Produzenten der Traumfabrik. So ist Syriana kein eskapistisches Weltfluchtangebot, sondern es weht eine aufklärerische Haltung durchs Kino, die zum Reflektieren auffordert. Darauf machen interessanterweise keine reißerischen Hinweise aufmerksam, sondern lediglich der Link www.participate.net/oilchange am Ende des Abspanns gibt zu verstehen, dass mit dem Ende des Films die Brisanz des Themas nicht aufhört.

Wie auch in Traffic geht es Gagahn darum, globale Verstrickungen zu benennen. Ist es dort die Drogenproduktion und der Zusammenhang zwischen Staatsregierungen, Drogenproduzenten und Opfern, so beleuchtet Syriana eine ganz andere Abhängigkeit. Gagahn selbst bringt es auf den Punkt: „Die größte Sucht, unter der wir in diesem Land leiden, ist die Abhängigkeit vom billigen Öl aus dem Ausland“.

Wer in welcher Form vom Rohstoff Öl abhängig ist, beleuchtet der Film in fünf sehr lose verknüpften Handlungssträngen. Diese treffen sich nicht immer direkt und oftmals muss der Zuschauer sich die Verbindungen und Konsequenzen denken – vieles bleibt unerklärt, offen, verwirrend. Doch darin zeigt sich die größte Stärke von Gaghans Erzählen. Durch die vielen Erklärungslücken und Leerstellen wird in sehr eindringlicher Weise verdeutlicht, wie kompliziert die Verstrickungen zwischen den verschiedenen Positionen wirklich sind und wie wechselseitig und undurchdringlich hier die Zusammenhänge zwischen Macht und Abhängigkeit sind. Es überkommt einem mitunter eine Art Ohnmacht, ein Gefühl zwischen der Ahnung etwas sehr Interessantes zu sehen und es trotz höchster Aufmerksamkeit nicht richtig fassen zu können.

Zur Story: Der Ölkonzern Connex zieht im internationalen Geschachere um Förderungsrechte am persischen Golf mit der aufstrebenden Supermacht China den Kürzeren. Um die drohenden Verluste auszugleichen, wird eine Fusion mit der kleineren Firma „Killen“ angestrebt. „Killen“ hat sich wiederum Rechte an noch unerschlossenen Gebieten in Kasachstan gesichert. Dieser Fusion scheint nichts im Wege zu stehen, doch soll der Anwalt Bennett mögliche dunkle Flecken finden, damit im Namen der Rechtmäßigkeit das Kartellamt die Fusionserlaubnis erteilen kann.

Gleichzeitig soll CIA Agent Robert Barnes den saudischen Thronfolger Prinz Nasir liquidieren, der – anders als sein jüngerer Bruder – Unabhängigkeitsgedanken hegt und sein Land aus der Umklammerung der USA befreien und in eine demokratische Richtung führen will – und damit auch den Zugang zum Öl in seinem Land beschränken wird. Barnes misslingt das Attentat, gerät selber in die Schusslinie zwischen seiner eigenen „Firma“ und der Hisbollah. Er muss erkennen, dass er lediglich als Bauernopfer gedient hat und beginnt auf eigene Faust zu handeln.

An einem ganz anderen Ende stehen die billigen Arbeitskräfte aus den ärmsten Ländern, die nach der Übernahme des chinesischen Konzerns willkürlich entlassen und ohne Arbeit schnell zu Illegalen werden. Zwei von Ihnen geraten in den Einflussbereich einer Koranschule, wo sie mit Attentatideen gefüttert werden. Am Ende rasen sie mit einer zur Bombe umgebauten Rakete in eine Ölplattform.

Und dann ist da noch der ambitionierte und ehrgeizige junge Analyst Bryan Woodman, der als persönlicher Finanzberater von Prinz Nasir engagiert wird. Dieser versucht sich dafür von der Last freikzuaufen, Schuld am Tod des Sohnes von Woodman zu sein. Eine Konstellation, die Woodmans Ehe auf die Probe und ihn vor die Wahl stellt, eine (richtige) Entscheidung zu treffen.

Was die zynischen Anklänge und gnadenlose Ehrlichkeit des Films bei all dem erträglich macht, ist, dass allen Figuren eine zutiefst menschliche Komponente zugestanden wird. Barnes will eigentlich nur in Ruhe Zeit mit seinem Sohn verbringen und mit ihm zusammen eine gute Schule aussuchen, Bennett hat mit seinem alkoholkranken Vater zu kämpfen, Woodman steht zwischen seiner Familie, die er über alles liebt und der Versuchung des großen Geldes und die Selbstmordattentäter werden nicht einseitig als blinde Fanatiker abgestempelt, sondern auch ihr Werdegang wird aus den unentwirrbaren Zusammenhängen zwischen dem ganz Persönlichen und dem großen Ganzen heraus erklärt.

Alles in allem ein wirklich großartiger Film.(Lina Dinkla)

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