Festkonzert

Sächsische Staatskapelle Dresden gibt Palmsonntagskonzert an der Staatsoper Dresden

Seit fast 180 Jahren gibt es in Dresden die Tradition, die Karwoche mit einem festlichem Konzert am Palmsonntag zu beginnen. Das diesjährige Konzert lenkt den Blick auf den langjährigen Chefdirigenten der Sächsischen Staatskapelle Giuseppe Sinopoli, der 2001 plötzlich und völlig unerwartet verstorben ist. Die Oper „Lou Salomé“, 1981 entstanden, ist Sinopolis letzte Komposition, danach gab er das Komponieren auf und widmete sich ausschließlich dem Dirigieren.

In der Konzertsuite Nr. 2 nach „Lou Salomé“ hat Sinopoli seine modern-experimentelle Phase längst überwunden. Die Komposition erscheint wie ein Rückblick auf seine kompositorischen Erfahrungen. In den sechziger Jahren elektronische und serielle Werke später dann schwirrende Klangflächen und Mikrostrukturen. Auf der anderen Seite ist es Rückblick und Referenz an die Klangwelt der Moderne, vor allem Berg und Webern.

In narrativer Weise führt Sinopolis Hörabenteuer durch das Leben von Lou Andreas-Salomé, einer Frau, die in exemplarischer Weise für den Verlust religiöser- und philosophischer Gewissheiten am Ende des neunzehnten Jahrhunderts steht. Zu Beginn Lous „Erwachen“: wie aus dem Nichts entwickeln sich komplexe Strukturen, subtiles Blech und unbestimmtes Tamtam. Dann wird die Zerrissenheit der jungen Russin Salomé vorgeführt: frisch und hell glitzert die Celesta, die nichtassoziativen Strukturen werden von Blechbläsern und Xylophon gestützt. Doch das Aufbrechende, das Neue (Celesta „die Himmlische“) wird unversehens durch ein Aufbäumen des Orchesters im Geiste des Fin de si?cle zerstört. Salomés weitere Lebensstationen – Rée, Nietzsche, Rilke und schließlich ihr späterer Ehemann Andreas – werden in immer neue musikalische Bilder übersetzt. Sinopolis Eklektizismus geht dann einigen Zuhörern doch zu weit (demonstratives Kopfschütteln): nach eruptiven und flächigen Strukturen folgt eine Rückbesinnung auf melodische Wiener Lieder, verzerrt und bitonal gesetzt erkennt man so etwas wie einen Walzer rückwärts. Der klare Sopran von Rebecca Evans hinterlässt dann am Schluss mit „Lous Lied“ einen versöhnlichen Eindruck. Asher Fisch, beim zweiten Stück mit Stock, hat die Staatskapelle jetzt besser unter Kontrolle, bei Pärts „Cantiques des degrés“ gingen die Vorstellungen der Musiker und ihres heutigen Chefs doch noch etwas auseinander.

Pärts Komposition nach dem lateinischen Psalm 121 (Ich hebe meine Augen auf zu den Bergen) ist von einer konzentrierten spirituellen Geistlichkeit geprägt. Streicher und Blech lösen sich nur kaum voneinander, der homogene Klang erzeugt eine tiefe Innerlichkeit. Der Chor der Sächsischen Staatsoper ist der anspruchsvollen Partitur bestens gewachsen.
Nach der Pause stehen zwei weitere geistliche Kompositionen auf dem Programm. Poulencs „Gloria“ in G-Dur, eine Auftragskomposition der Koussevitzky Music Foundation, Boston ist schon Ausblick auf den American Spirit von Leonard Bernstein am Ende des Programms. Im zweiten Satz erreicht das Stück einen ausgelassenen „drive“: lustige Trompetenmelodien im Geiste von Spirituals. Rebecca Evans erreicht einen stimmlichen Ausdruck, der auch an den hellsten Stellen die Schwere des Themas transportiert. Schon in nur zwei Worten „Domine Deus“ erreicht sie eine lyrische Qualität und physische Unmittelbarkeit, die richtig unter die Haut geht. Asher Fisch mit leichten Tempoproblemen, bis sich Sopran und Chor „gefunden“ haben, vergehen ein paar Takte.

Bernsteins „Chichester Psalms“ zum Schluss bringen dann den „groove“ ins Haus. Ganz in der amerikanischen Tradition der Negierung einer Trennung zwischen E- und U-Musik hat Bernstein eingängige Melodien für die von ihm ausgewählten sechs alttestamentarischen Psalmen erfunden, dissonante Passagen münden schnell wieder in eine prägnante Rhythmik. Gesungen wird in hebräischer Sprache. Das Knabensolo bringt Ruhe und Besinnung in die Partitur, auch der englische Komponist Andrew Lloyd Webber benutzt in seinem Requiem aus den achtziger Jahren eine Knabenstimme, um den rhythmischem Swing seiner Musik eine (naive) Innerlichkeit zurückzugeben. Die Staatskapelle jetzt auf der Höhe ihres Könnens, Bernsteins Besetzung ohne Holzbläser und Hörner unterstützt den herrlich satten Streicherklang am Ende des sehr vergnüglichen Abends.

Palmsonntagskonzert

Arvo Pärt (geb. 1935)
„Cantiques des degrés“
für Chor und Orchester
Deutsche Erstaufführung

Giuseppe Sinopoli (1946-2001)
„Lou Salomé“, Suite Nr. 2
Dresdner Erstaufführung

Francis Poulenc (1899-1963)
„Gloria“ für Sopran, Chor und Orchester

Leonard Bernstein (1918-1990)
„Chichester Psalms“ für Knabensolo
gemischten Chor und Orchester

Dirigent Asher Fisch
Solistin Rebecca Evans, Sopran
Solist Clemens Meusel, Knabenalt
Chor der Sächsischen Staatsoper Dresden

Sächsische Staatskapelle Dresden

Sonntag, 9. April 2006; 20:00 Uhr Semperoper

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