„16 Blocks“
Regie: Richard Donner
Darsteller: Bruce Willis, Mos Def, David Morse, Cylk Cozart u.a.
105 Min.
Deutscher Starttermin: 20.04.2006Der beschwerliche Weg in den Feierabend: Bruce Willis in „16 Blocks“
Wenn man einer der seltenen Menschen ist, die ihr Leben von Anfang an im Griff haben, die nach der ersten tiefen Reflexion über sich selbst wissen, wohin ihr Weg geht und darauf vertrauen, dass sie niemals von diesem abweichen und an jeder Wegmarke froh über die gegangene Strecke sind, dann ist man wahrscheinlich nicht von diesem Stern. Alle anderen werden immer wieder damit zu kämpfen haben, nicht in der Verzweifelung und Enttäuschung über eigene Fehler zu versinken, oder aber nicht Moral und das Gefühl für das Richtige und Wahre in der Welt zu verlieren. Jack Mosley ist einer von ihnen.
Seine Nachtschicht verbringt der NYPD-Detective (Bruce Willis) in gewohnter Weise mit einer Flasche Whisky auf dem Sofa in einer Tatortwohnung, um sich am Morgen leer und runtergekommen durch die Polizeistation auf den Weg in den wohlverdienten Feierabend zu schleppen. Doch in letzter Sekunde bekommt er einen Job aufgedrückt – er soll den Zeugen Eddie Bunker (Mos Def) aus der Zelle ins Gericht zu dessen Verhandlung bringen. Ihm bleibt für die kleine Strecke von 16 Häuserblocks noch die Ewigkeit von exakt 118 Minuten. Doch der heftige Widerstand einiger seiner Kollegen, allen voran seines ehemaliger Partners (David Morse), gegen die Erfüllung dieser Routineaufgabe, zwingt Jack Mosley zu einer Entscheidung gegen oder für sich selbst.
Die Erwartung von rasanter und unterhaltsamer Action wird trotz den Garanten dieses Genres, des Regisseurs Richard Donner und der lakonischen Ikone guter Actionfilme Bruce Willis, ziemlich enttäuscht. Expressive Gewalt entfaltet sich äußerst spärlich, wird verdrängt unter die Oberfläche der Bilder. Deren visuelle Kraft allerdings findet auf stellenweise beeindruckende Weise die Verbindung zur Psychologie der Ausweglosigkeit und zur schmerzlichen Suche nach der richtigen Reaktion darauf. Das erzeugt eine starke Eindringlichkeit, zumal der Film fast in Echtzeit erzählt. Dies hat auf der einen Seite den Nachteil, dass dadurch nicht allzu viel Handlungsspielraum für die Story zur Verfügung steht, doch inszeniert Richard Donner das Katz-und-Maus-Spiel in trügerischen Abläufen, die den Zuschauer immer wieder im Unklaren lassen, um ihn dann mit unvorhersehbaren Lösungen, die leider oftmals auch unerklärlich sind, zu überraschen. Diese den Film durchwirkende Unerklärlichkeit formt allerdings eine ungemein fesselnde, tiefer liegende Spannungsebene. Langsam und in kleinen Schritten geben die beiden unfreiwillig aneinander gebundenen Gejagten Mosley und Bunker einander von ihrem Leben preis. Der Zweifel, ob der andere wirklich das ist, was er zu sein vorgibt, wird nur noch übertroffen von der Unwegsamkeit, irgendwann erkennen zu müssen, wer man selbst ist.
Jack Mosley hat damit große Schwierigkeiten. Bruce Willis‘ Umgang mit dieser zerrissenen und bodenlosen Figur erreicht eine Intensität, die ihn aus dem übrigen Ensemble herausragen lässt und dem Film auch eine eigenartige Unausgeglichenheit verleiht. Neben ihm wirken Mos Def und David Morse streckenweise nur wie redende und handelnde Zureichungen seines inneren Kampfes und der Wandlung seiner verlorenen Seele. Alle Worte, alle charakterformenden Handlungen seiner Mit- und Gegenspieler können nicht die Ausdruckskraft der schmerzenden, zweifelnden, zerstörten und zuletzt entschlossenen Blicke von Bruce Willis erreichen.
Manchmal weisen einem Zeichen den Weg aus der dunklen Sackgasse des Lebens. Für Jack Mosley ist es die Begegnung mit Eddie Bunker, der sich vom Verbrecher zum Gutmenschen wandelt. Mosleys Läuterung braucht den Höllentrip von 16 Häuserblocks, um sich die eigenen Fehler zu vergeben und die früheren Kollegen und jetzigen Feinde entgegen aller Ehrenkodizes zu verraten. Dass dies nicht leicht ist, man immer weitermachen muss, um die Wahrheit und den richtigen Weg wieder zu finden, zeigt Richard Donner in seinem wundervollen, spannenden Film. Dass er dabei auch ohne großes Showdown auskommt, ist erfrischend, auch wenn man sich das schmalzige Ende hätte schenken können. Doch in Hollywood muss das Wiederfinden des profanen, guten Lebens halt gefeiert werden. (Christian Fröhlich)
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