Der Beweis deines Lebens: Der Film „Proof” von John Madden (Christian Fröhlich)

„Proof“
Regie: John Madden
Darsteller: Gwyneth Paltrow, Anthony Hopkins, Jake Gyllenhaal, Hope Davis u.a.
99 Min.
Deutscher Starttermin: 04.05.2006Der Beweis deines Lebens: Der Film „Proof“ von John Madden

„Der Beweis, dass man nicht verrückt ist, findet sich darin, dass man fähig ist, sich selbst danach zu befragen.“ – sagt ein alter Mann in einem gemütlichen Wohnzimmer zu einer jungen Frau. „Aber das kann nicht stimmen, denn du bist ja verrückt.“ – erwidert sie ihm. „Ja, das ist der Schwachpunkt. Aber es stimmt trotzdem. Ich kann mir die Frage stellen, weil ich auch schon tot bin.“

Dieses Zwiegespräch von Catherine (Gwyneth Paltrow) mit ihrem schon vor einer Woche gestorbenen Vater (Anthony Hopkins) stimmt den Zuschauer gleich anfangs darauf ein, dass es im Folgenden schwer sein wird, den Figuren und ihren Äußerungen zu trauen. Ja, sogar den Bildern wird man am Ende misstrauen.

Catherine wandelt wie ein Geist nach dem Tod ihres Vaters, eines genialen Mathematikers, um den sie sich die letzten fünf Jahre wegen seiner Geisteskrankheit gekümmert hatte, durch das leere Haus. Tief in sich verschlossen irrt sie in sich selbst umher. Nun ihrer Seinsberechtigung als sorgende Tochter beraubt, spürt sie die Leere ihres Lebens. Nur Hal (Jake Gyllenhaal), der frühere Assistent ihres Vaters, kann zu ihr durchdringen.

Die Regie von John Madden, der schon bei „Shakespeare in Love“ (1998) mit Gwyneth Paltrow zusammenarbeitete und zuletzt „Corelli’s Mandoline“ (2001) drehte, gibt dieser viel Raum zur Entfaltung ihrer fragilen, emotionalen und gleichzeitig willensstarken Rolle. Auf ganz wundervolle Art und Weise verleiht sie der ebenfalls mathematisch sehr talentierten Catherine eine Weltentrücktheit, welche es dieser zwar ermöglicht, die Dinge der Welt zu durchschauen, aber vor sich selbst als Unbekannte zu stehen.

Inhaltlich werden hier Parallelen zu Filmen wie „A Beautiful Mind“, „Shine“ und „Good Will Hunting“ deutlich, denn Nähe von Genie und Wahnsinn spielen für Catherine in dem Maße eine wichtige Rolle, als dass sie sich nie sicher ist, wohin und wie stark der väterliche Einfluss auf ihr eigenes Leben gewirkt hat. Die vom Rationalismus durchgestylte und von der ganzen Situation völlig irritierte Schwester Claire (Hope Davis) will sie total vereinnahmen und ihr ein fertiges, richtiges neues Leben schustern. Und so verkriecht sich Catherine, schließt sich in ihre eigene Welt ein und bleibt so unerkannt – und unterschätzt.

Die Geschichte basiert auf einem Theaterstück von David Auburn, in dem Gwyneth Paltrow auch schon die Hauptrolle der Catherine in London spielte. Für ihre Rolle in der Verfilmung wurde sie mit einer Nominierung für den Golden Globe 2006 geehrt. Man merkt dem Film ganz stark an, dass sich Madden auch an der Bühne orientierte. Er dehnt die Szenen bis zur Ewigkeit vor unbeweglichen und ruhigen Kulissen. Seltene Umgebungswechsel, ruhige Kamerafahrten und lange Aufnahmen richten den Fokus ganz auf die Auseinandersetzungen der Protagonisten. Deren Gespräche entwickeln sich zu Kämpfen, in denen sie um die Beweise der Realität und der Wahrheit ringen, auf logische, mathematische Weise, an deren Ende sie aber Nichts beweisen können. Am Ende stehen nur der Glauben und das Vertrauen.

Dazu ist die vernünftige Claire nicht in der Lage. Jake versucht es, kann es aber dann nicht mehr, als Catherine ihm einen mathematischen Beweis anvertraut, der noch genialer und bedeutender ist als die Arbeiten ihres Vaters. Da traut auch sie nicht mehr den eigenen Erinnerungen, die der Film in eingeschobenen Rückblenden erzählt. Das lässt sie aufgeben, lässt sie kapitulieren vor der eigenen Identitätsunsicherheit und zweifeln an ihrer Nichtverrücktheit.

Die Schwäche des Films ist seine Zerrissenheit in der Zielstellung. Er berührt die Fragen nach der Bürde von Genie, nach der Gefahr des Wahnsinns, nach dem Umgang mit den elterlichen Einflüssen und nach der Selbstfindung. Aber keine wird zu einer Antwort geführt. Das mag zum dem eigenartigen Gefühl der aufgewühlten Leere nach dem Anschauen beitragen. Doch ist das auch eine seiner Stärken, wenn er den Zuschauer letztendlich allein klarkommen lässt mit den Fragen der eigenen Besonderheiten und Schwächen. Und mit der Suche nach Ruhe und Frieden mit sich selbst.(Christian Fröhlich)

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