Interview mit Regisseurin Tatjana Gürbaca zur Uraufführung von „Der schwarze Mönch” (Steffen Kühn)

Anlässlich der Premiere des „Schwarzen Mönch“ traf unser Redakteur Stefen Kühn Tatjana Gürbaca am 4. 5.2006 zu einem Gespräch über ihre Inszenierung.


Leipzig Almanach:
Im Westen sozialisiert haben Sie Opernregie an der durch den Osten geprägten Musikhochschule Hanns Eisler studiert. Wie kam es dazu, wie waren Ihre Erfahrungen?
Tatjana Gürbaca:
(….) Ich habe mich damals ziemlich blauäugig bei der Eignungsprüfung angemeldet ohne zu wissen, dass sich da fünfzig Leute für zwei Stellen bewerben. Aber es hat geklappt! In den Meisterkursen bei Ruth Berghaus und Peter Konwitschny habe ich dann so langsam begriffen, was Opernregie ist (…..).
Die Reibungen zwischen Ost und West waren sehr groß, durch die neuen Strukturen wurden die Lehrer mit Ostvergangenheit in zweite Reihe gedrängt. Wir Studenten mussten dafür kämpfen, dass Peter Konwitschny weiter Meisterkurse machen konnte, zum Teil haben wir ihn auch selbst eingeladen.

Leipzig Almanach:
Wie kam es zu Ihrer Arbeit in Leipzig?
T.G.:
Den Kompositionsauftrag erhielt Phillippe Hersant vor fünf Jahren, Henri Meier bat mich die Regie zu übernehmen. Ich traf Hersant dann das erste Mal vor drei Jahren in Paris. Für eine Uraufführung waren es sehr gute Bedingungen, die Noten waren sehr früh da. Die Befürchtungen, dass sich ein lebender Komponist in die Regiearbeit einmischt haben sich zum Glück nicht bestätigt.


Leipzig Almanach:
Zur Musik des „Schwarzen Mönch“?.
T.G.:
Hersant steht sehr stark in der französischen Musiktradition Debussys, aber auch Bartoks. Die Herangehensweise ist eher klassisch. Neues passiert in der Orchestrierung, das ist eine Stärke des Komponisten. Beispielsweise erzeugt ein Akkordeon verstörende Momente. Er bedient keine typischen modernen Reflexe, etwa könnte man bei den Mönchsvisionen elektronische Klänge erwarten, er aber lässt den Mönch in einer tiefen Bassstimme singen, während das Orchester ohne Mittelstimmen sehr hoch dagegen steht.

Leipzig Almanach:
Was erwarten Sie von Moderner Musik? Meine Meßlatte für Neues ist da die Frage nach überraschenden Momenten, die tradierte Hörtraditionen in Frage stellen.
T.G.:
Ich kann mich nicht erinnern wann mich Musik das letzte Mal überrascht hat. Wir leben doch im postmodernen Zeitalter, alles baut doch auf irgendetwas auf. Für mich ist die Meßlatte die Authentizität, dass man merkt was der Künstler will.

Leipzig Almanach:
Sehen Sie diese Authentizität im „Schwarzen Mönch“?
T.G.:
Das Authentische liegt für mich schon in Tschechows Novelle. Eigentlich gibt es keine Handlung, die Figuren sind sehr offen. In diesem Sinn ist das Stück sehr modern. Es gibt keine Auflösung, so kommt jede Figur zu ihrem Recht. In der Novelle wird viel mit Zitaten gearbeitet, Tschechow zitiert aus „Eugen Onegin“ (……). Für mich ist das der Sinn von Kunstschaffen, die Beschäftigung mit der Vergangenheit, sonst kann es keine Zukunft geben.

Leipzig Almanach:
Zum Libretto des „Schwarzen Mönch“.
T.G.:
Das Libretto ist vom Bruder des Komponisten. Yves Hersant ist Schriftsteller, der sich viel mit Melancholie beschäftigt. In der aktuellen Berliner Melancholieausstellung sind auch Beiträge von ihm (…..).
Tschechows Novelle spielt mit den Bildern der Figuren auf sich selbst. Das finde ich sehr wichtig. Jeder hat doch ein Recht auf ein eigenes Bild auf sich selbst. Konflikte entstehen ja oft dadurch, dass verschiedener Bilder miteinander kollidieren, auch wenn sich die Figuren entwickeln, sich die inneren Bilder verändern, das die Außenwelt aber nicht mitmacht.

Leipzig Almanach:
Das ist sicher schwierig zu zeigen, für einen Opernstoff klingt das ziemlich kompliziert.
T.G.:
Muss denn Oper einfach sein? Gerade Oper ist doch durch Musik, Schauspiel so facettenreich und kann das vertragen (…..). Das Programmheft muss man aber nicht vorher lesen. Für mich ist der liebste Zuschauer, der einfach Lust hat, sich überraschen zu lassen.

Leipzig Almanach:
Aus welchen Gründen sollte man nach Ihrer Meinung in die Oper gehen?
T.G.:
Weil einen das Stück oder der Regisseur interessiert.

Leipzig Almanach:
Wie erleben Sie die Arbeit an der Oper Leipzig, wie sehen Sie die Oper?
T.G.:
Es gibt sehr gute Arbeitsbedingungen hier am Haus, die Werkstätten sind ein unheimliches Potential. Das Gebäude ist toll, bietet phantastische Möglichkeiten, ist leider für Leipzig etwas zu groß. Und dann das tolle Orchester hier. Das merkt man sofort in der ersten BO (Bühnen- und Orchesterprobe).
In den letzten Tagen erwartet man von mir immer wieder ein Statement zur Situation der Oper Leipzig, über den Intendanten. Immer wieder erzählt man mir, dass es früher alles besser war. Das geht mir langsam auf die Nerven!

Leipzig Almanach:
Ja, die allgemeine Wahrnehmung der Oper in Leipzig besteht zum großen Teil aus Negativnachrichten: Budgetdebatten zwischen Oper und Politik, ständig neue Fusions- oder gar Schließungspläne. Es entsteht gerade in letzter Zeit der Eindruck, dass die Oper in einer Art vorauseilenden Gehorsam versucht, Mittel einzusparen. Konzepte aber werden nicht sichtbar nach außen.
T.G.:
Ich möchte auch kein Intendant sein. Die Häuser stehen doch heute unter so einem riesigem Kostendruck. Künstlerische Konzepte aber brauchen Zeit sich zu entwickeln, das geht nicht in zwei Jahren.

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