Immer wieder anders, immer wieder gleich

Die fünfte Pop Up-Messe steigt wieder in Leipzig

Die 5.Pop Up ist wie alle vier zuvor – zum Glück
Ein Zeichen! Mr. Lordi und seine von deren Fans als „süß“ bezeichneten Mitmonster gewinnen den Schlager-Grand-Prix in Athen, als die Leipziger (Pop Up auf ihrem Höhepunkt ist. Gemeinsamkeit: Die Underdogs der jeweiligen Klassen feiern sich, und das erfolgreich. Unterschied: Klang und Style. Während die Finnen ihre Gruselpelzchen zu halbherzigem Hardrock spazieren tragen, neigen die (Pop-Up-Gäste zu durchaus unterschiedlichem Musikgeschmack und zivilisierter Garderobe.

Die Indie-Uniform 2006 gestaltet sich wie folgt: Als Junge trägt man Jeans (nicht zu dunkel), Sneakers (nicht zu neu), T-Shirt (möglichst mit Bandname, nicht zu bekannt), LKW-Planen-Tasche (nicht zu klein, zwei Spex-Ausgaben müssen senkrecht nebeneinander hineinpassen), Accessoires sind wahlweise Hornbrille (nicht zu klein) oder silberne Haarsträhnen (nicht zu viele, man ist ja noch jung). Als Mädel trägt man zur Messe die obligatorische Leggins unterm Jeans- oder Faltenrock, circa ein bis vier Tops (Punkte, Streifen, Karos!) übereinander, die Haare wirr oder streng schräg. Und drückt sich die Individualität auch nicht im Kleidungsstil aus: Egal, man ist schließlich wegen der Musik hier (und nicht wegen der Buttons und Süßigkeiten, die viele an vielen Ständen mit scheinheilig unbeteiligtem Gesichtsausdruck und höchstens einer standardisierten Frage wie „Coole CD habt ihr da. Die Sticker hier kann man so mitnehmen, ne?“ in ihre LKW-Planen- und Blümchenstoff-Taschen schaufeln).

Wieder haben die Messemacher einen schönen Samstag im Werk II vorbereitet, mit über 130 Ständen von Labels, Musikmagazinen, Vertrieben und anderen Subkulturellen. Größer als je ist die (Pop Up dieses Jahr, ein Extra-Zelt dient als Anbau, die letztes Jahr noch kleinen Deckenschilder sind dieses Jahr größer und professioneller gemacht (die Aufschriften dafür zurückhaltender, „Tristesse“, „Bodensatz“ etc.), ansonsten alles wie gehabt. Podiumsdiskussionen gibt es zu Weblogs, Themenauswahl in der Musikpresse und zum „rebellischen Gestus, den die Indiepopkultur so gerne pflegt“, in der Halle 5 spielen wieder vom frühen Nachmittag bis in die Nacht hinein Nachwuchsbands, und die Aussteller laden freundlich wie immer zum Musikhören an ihren Ständen ein. CDs sind durchweg günstiger als im Laden, mit ein bisschen Glück bekommt man ein Astra oder wenigstens einen Schnaps zum gekauften Tonträger dazu. Robert Stadlober sitzt stillvergnügt am Stand seines Labels und signiert CDs, Alfred Hilsberg ist quasi überall zu beobachten (mal am Zickzack-Tisch, mal mit Interviewern vor der Messehalle), die Woog Riots preisen ihre eigenen Machwerke an, und zufrieden scheint jeder.

Ach ja, Musik – Konzerte gibts auch jedes Jahr. Bands, an denen nicht nur die Namen gut sind (Amusement Parks On Fire, The Whitest Boy Alive, Suburban Kids With Biblical Names), Musiker, an denen nur die Namen gewöhnlich sind (Jens Friebe, Heinz Rilke), Formationen mit zur Musik passenden Namen (Cockbirds) – alle sind sie da zur 5. (Pop Up. Unter dem durchaus zutreffenden Motto „Some Labels Are Bigger Than Others“ versammelten sich zum Beispiel am Messe-Freitag zwei Zickzack-Größen, nämlich Jens Friebe und die Woog Riots, sowie ein Zickzack-Neuling, Brockdorff Klang Labor aus Leipzig, im stimmungsvollen UT Connewitz zur gemeinsamen Abendgestaltung. Am Merchandisingstand: Alfred Hilsberg, mit stets wachsamem Blick auf seine Schützlinge. Den Auftakt machten die Woog Riots (sympathischer Minihit derzeit: „Commercial Suicide“), gefolgt von Jens Friebe. Ohne an dieser Stelle wieder einmal auf dessen gar nicht hoch genug zu lobende Bühnenqualitäten und seine beiden grandiosen Alben, „Vorher Nachher Lieder“ und „In Hypnose“ einzugehen, sei doch erwähnt, dass Jens Friebes Auftritt zu den Highlights der Messe gehörte. Mehrere neue, vielversprechende Lieder wurden präsentiert, publikumswirksame Ansagen gemacht („Den nächsten Song spiel ich immer, wenn sonst gar nichts mehr geht.“), und mit dem „programmatischen“ (Friebe) Song „Abend voller Glück“ fanden der Musiker und seine Begleitband den besten aller möglichen Abschlüsse eines Sets.

Auch am Samstag standen verschiedene Konzerte zur Auswahl (unter anderem Sophia in der MB und Finn. mit Sometree in der naTo), und wer sich für einen Besuch des Volkshaus-Gartensaals entschied, sollte nicht enttäuscht werden, vorausgesetzt, er hatte die Cockbirds, Chung und Blackmail erwartet. Noise, so die Losung des Abends, und auch hier schien sich wieder ein Großteil des Publikums einig in Stilfragen: Schwarz dominierte als Kleidungs- sowie Haarfarbe, hier und da aufgehellt durch aufgedruckte Totenköpfe (Jungs) bzw. Kirschen (Mädels). Zu Beginn spielten die Berliner Cockbirds eine begeisternde halbe Stunde ihren bitterernsten Punk, tanzten dazu in bauchfreien Tops, Renterjogging- und Latzhosen, machten dazu wahlweise ekstatische oder benommene Gesichter und schrien größtenteils herum. „Hier wird höchstens auf dem Grab getanzt, aber die Vergangenheit letztendlich unter der Erde gelassen, statt Angriffsfläche für irgendwelche ironischen Spitzen zu sein“, so Nic Koskowski in der Spex über die Band. Sehr wahr die Worte, sehr amüsant der Auftritt. Danach spielten Chung, einst wie Phoenix aus der Asche der Szene-Institution Party Dikator gestiegen, und beeindruckten im Gegensatz zu den Cockbirds schon durch die halbwegs sichere Handhabung ihrer Instrumente. Einschätzung der Band durch einen PnG-Experten: „Gespeist von den Ur-Energien einstiger Punkrock-Initiatoren zwischen New York Dolls und Saints (wahlweise bitte andere Namen einsetzen) bratzen diese Herren einfach alles heraus, ohne prollig oder gar prätenziös über unsere Füße zu fallen.“ Eindrucksvoll, doch die Mehrheit der Hörer wartete nur auf Blackmail. Die spielten dann auch eine routinierte Show, wirkten dabei jedoch ansteckend euphorisch und verstanden es, mit Nostalgie („Wer von euch war denn letztes Jahr im Ilses Erika, als wir da spielten?“) und ihren aktuellen Songs die Fans zu erfreuen. Verschwitzt und glücklich schob sich, als es wieder hell wurde auf der Bühne, das (Pop-Up-Publikum gen Ausgang.

Wieder eine (Pop Up ist also vorbei, auf der wie schon in den Jahren zuvor über Indie verhandelt wurde und über die Werte der Szene (ein Labelvertreter erklärte gelassen, er hätte jetzt eine CD herausgebracht mit 100-seitigem Booklet; es sei ihm egal, ob und wie oft man die CD illegal kopiere, solange nur das Booklet in Farbe mitkopiert würde). Und wäre diese Messe eine Band, hätte John Peel sie wahrscheinlich geliebt. Vielleicht hätte er sogar die Charakterisierung seiner Lieblingsband auf sie übertragen: „Always different, always the same.“ Nächstes Jahr die nächste (Pop Up; man darf sich vorfreuen.

Pop Up
Messe – Forum – Musik

18. bis 21. Mai 2006, Werk II, Clubs

Bilder:

Jens Friebe

Cockbirds

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