Christopher Nolans Regiedebüt „Following” endlich auf DVD (Roland Leithäuser)

DVD-Empfehlung:
Following
GB 1999
Regie: Christopher Nolan
Darsteller: Jeremy Theobald, Alex Haw, Lucy Russell u.a.
s/w, 70 Min.
flax Film
Preis: 17,95 ?

Bilder: AT MedienNolan begins

Haben Sie schon den letzten Film der „Batman“-Reihe auf DVD? Nicht? Sollten Sie tun, den gibt es – ein gutes Jahr nach Kinodebüt – schon für ganz kleines Geld im Medienkaufhaus. Ist nicht gut gelaufen, der Streifen: zu düster, zu komplex, zu sperrig – keine sorgenlose, bunte Abendunterhaltung. Christopher Nolan zeichnete für diesen Film verantwortlich; jener Christopher Nolan, der vor fünf Jahren mit „Memento“ einen viel beachteten und durch unkonventionellen Stil bestechenden Film ablieferte. Dort hetzte er Guy Pearce mit Gedächtnisverlust im Rückwärtslauf durch ein bizarres Setting auf der Suche nach dem Mörder seiner Frau – und empfahl sich so für höhere Aufgaben. Der Vorliebe für unkonventionelles Erzählen und abseitige Protagonisten blieb er auch in seinem zweiten großen Film „Insomnia“ treu, in dem Al Pacino schlaflos einem Killer (Robin Williams) auf der Spur ist, und die Grenzen zwischen Realität und Traum mehr als einmal zu verwischen scheinen.

Was Nolan in diesen beiden Filmen und schlussendlich auch in „Batman Begins“ umsetzte, erscheint als konsequente Umsetzung eines cineastischen Programms, wenn man nun seinen Erstling „Following“ ansieht, der, 1999 als Low-Budget-Produktion entstanden, es erst mit der zunehmenden Popularität der Nachfolgefilme auf die Agenda schaffte. Im vergangenen Jahr erstmals in den Programmkinos einiger weniger deutscher Großstädte zu sehen, ist es der kleinen Firma flax Film zu verdanken, dass der geneigte Fan seine Nolan-Sammlung auf DVD nun mit „Following“ komplettieren kann – einem Film, der, obwohl mit minimalen filmischen Mitteln entstanden, den größeren Produktionen in keinem Punkt an Spannung, Charakterzeichnung und visueller Kraft nachsteht.

Wieder geht es um einen Getriebenen, einen Außenseiter der Gesellschaft, der nirgendwo Vertrauen, überall aber Argwohn, Hinterhältigkeit und physische Bedrohung erlebt. Der Schriftsteller Bill verfolgt scheinbar willkürlich Passanten auf den Straßen Londons. Er nimmt ihre Spur auf, begleitet sie zu ihren Wohnungen, in Cafés, bis zum Arbeitsplatz. Wie er angibt, aus professionellen Gründen, um Inspiration für seine literarischen Arbeiten zu finden. Tatsächlich aber ist es der pure Voyeurismus, der ihn dazu treibt. Dieser bleibt nicht folgenlos: Der Einbrecher Cobb, den Bill über längere Zeit beschattet, stellt den Verfolger zur Rede. Cobb pflegt ein ähnlich obsessives Verhältnis zu seinen Opfern wie Bill – er bricht nicht nur einfach in Wohnungen ein, um das Eigentum fremder Menschen zu rauben; stets lässt er dabei auch etwas Persönliches, Intimes aus dem Besitz seiner Opfer. Er macht Bill zum Komplizen. Gemeinsam begehen sie Einbrüche bei Menschen, deren Lebensumfeld und Gewohnheiten Bill zumeist vorher ausgekundschaftet hat.

Eine Weile harmoniert das ungleiche Gespann, auch wenn sich Bill immer wieder den Unbeherrschtheiten und der Arroganz von Cobb ausgeliefert sieht. Als die beiden schließlich aber bei einer attraktiven Blonden einbrechen, gerät das Spiel außer Kontrolle: Bill verliebt sich in sie und beginnt eine Affäre mit ihr, zunächst nicht ahnend, dass sie die Geliebte einer Unterweltgröße ist. Bill begibt sich in Gefahren, die nicht nur von einer Seite drohen, denn Cobb und die ihm vermeintlich unbekannte Blonde spielen ihrerseits ein doppeltes Spiel mit Bill und wollen diesen für ihre kriminellen Machenschaften einspannen. Der Jäger wird zum Gejagten, die Realitäten verschieben sich, brechen auf. Am Schluß sieht sich Bill im Verhör mit einem Polizisten dem Vorwurf ausgesetzt, mehrere Menschen ausgeraubt und getötet zu haben. Weder hat er ein Alibi, noch weiß er, dass er das Bauernopfer eines teuflischen Plans geworden ist.

In seiner Erzählstruktur erinnert „Following“ schon sehr stark an den Nachfolger „Memento“. Der Zuschauer wird fortwährend zum Um- und Neudenken gezwungen, kann er eine Personenkonstellation nachvollziehen, erweist sich diese schon wieder als falsche Fährte. Wählte Bill den Einbrecher Cobb wirklich bewusst als Opfer seiner Verfolgung aus, oder wurde er vielmehr ausgewählt? Im Stil eines klassischen film noir, bei dem natürlich eine gerissene femme fatale in Gestalt von Lucy Russell nicht fehlen darf, erzeugt „Following“ große Spannung erzählt eine komplexe Fabel, die ohne große Kosten auskommt. Nolans Protagonisten erweisen sich schon in seinem Erstling als vielschichtige und innerlich zerrissene Gestalten, die in einer düsteren Welt versuchen, dem Leben einen Sinn zu entnehmen. Man kann Christopher Nolan nicht unbedingt vorwerfen, dass er sich mit zunehmendem kommerziellen Erfolg von dieser Sicht der Dinge verabschiedet hätte. Einen so kompromisslosen und zugleich fesselnden Film wie „Following“ zu machen, dürfte für Nolan zunehmend schwierig werden.(Roland Leithäuser)

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