„Meine Frau, die Ilsebill…” – Das Märchen vom „Fischer und seiner Frau” in Leipzig auf der Bühne (Tobias Prüwer)

„Vom Fischer und seiner Frau / Konen i Muddergr?ften“
N?rregaards Teater Ebeltoft (DK)
Lindenfels Westflügel
Regie: Michael Vogel
Spiel: Hans N?rregaard
Anne Gerd Sindballe
Lars Ottosen
26. & 27. August
www.nrt.dk

Der Butt bei die Fische. Oder: Wer lebt schon gern im Pisspott?


Manntje‘ Manntje, Timpe Te,
Buttje‘ Buttje in der See,
Meine Frau, die Ilsebill,
Will nicht so, wie ich gern will.


Eigentlich ist das Leben an der Küste idyllisch: Man schippert rum, fischt allerlei Meeresgetier und auch mal einen Schuh aus den Fluten und hat ansonsten den Lenz. Wie so oft aber hat auch die Idylle beim Fischer und seiner Frau einen Haken. Ihre Bleibe ist zu eng, zu feucht und gar nicht heimelig: Man lebt im Pisspott. Nur zu verständlich, wenn sich da die Gelegenheit bietet, den zaubermächtigen Butt um ein veredeltes Obdach zu bitten, immerhin hat ihm der Fischer das Leben geschenkt. Dieser kommt dem Wunsch gerne nach. Wenn mensch Maß hält…

Das Lehrstück „Vom Fischer und seiner Frau“ führt das N?rregaards Teater aus Dänemark in einer gar nicht moralinsauren Version auf, die in Zusammenarbeit mit dem Figurentheater Wilde & Vogel entstand. „Die Frau im Pisspott“ („Konen i Muddergr?ften“) wie das Märchen im Dänischen heißt, ist ein schöner Titel für diese vermeintliche Anleitung zu Genügsamkeit und anderen eitlen Bürgerstugenden, ist er dieser doch ein Stachel im Fleisch. Denn er drückt aus, dass das Bedürfnis nach ein bisschen Komfort und gesellschaftlicher Mitbestimmung nicht verwerflich ist. Weshalb zunächst auch der Butt die steigenden Wünsche der Fischergattin ohne Murren erfüllt und nur der Mann knurrt: „Datt is nit recht!“ So steigt seine Frau über verschiedene Grundbucheinträge schließlich gar zum Papst auf. Als sie aber Gott sein möchte, um Mond und Sonne nach Belieben auszuknipsen, hat auch beim Butt der Geduldsfaden ein jähes Ende.

Für die Deutschlandpremiere hat das Ensemble extra die Texte in deutscher Sprache auswendig gelernt, was zu einem verständlichen und zugleich schön-schrägem Kauderwelsch führt, weil natürlich immer wieder dänische Einsprengsel zu hören sind. Dies intensiviert nur den Effekt der zuweilen grotesken Szenen, wenn zum Beispiel Spielerin Sindballe als eine Art Froschkönig – in ein mintgrünes Spannbettlaken gepresst und mit Taucherbrille und Nachttopf behelmt – eine eigenwillige Tanz- und Gesangseinlage gibt. Die wechselnde Figurenführung erzeugt ein lebhaftes und wirbelndes Spiel durch den Bühnenraum, dessen Grund eine Plastikplane bildet. Die sehr einfach gehaltene Kulisse ist durch eine detailreiche Requisite (Ausstattung: Michael Vogel & Hans N?rregaard) und mit wenigen Handgriffen veränderbar. Da wird ein Badezuber zu Meer und Heimstatt des Butts, aus zwei Hockern entsteht ein Bauernhof, der sich kurz darauf zum Palast verwandelt. Derart einfallsreich gestaltet sich auch der anschwellende Buttgesang: Zunächst aus einer Mülltüte geformt, steigt seine Präsenz stetig an, bis er die ganze Bühne einnimmt und in apokalyptischem Zorn die Wellen über den materiellen Errungenschaften des Fischerpaares zusammenschlagen lässt.

Nach all dem Trubel um die selbst geschaffenen Verpflichtungen sind der Fischer und seine Frau am Ende gar nicht mehr so unglücklich, im alten, neuen Heim Ruhe zu finden, im Pisspott rumzuschippern und wieder den Menschen das Maß der Dinge sein zu lassen und nicht umgekehrt.

(Tobias Prüwer)

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.