Gelungenes Konzert

Grosses Concert steigt im Rahmen der Mendelssohn-/Schumann-Festtage 2006

Da in diesem Jahr die Mendelssohn-Festwochen und die Schumann-Festtage zusammenfallen, überrascht es kaum, dass der Programmbeitrag des Gewandhausorchesters ausschließlich Werke dieser beiden Komponisten enthält. Diese zwar sinnfällige, aber wenig originelle Programmgestaltung wird immerhin durch die Auswahl unüblicher Werkfassungen etwas kompensiert. Am Ende zählt ohnehin allein die musikalische Qualität der Darbietungen, und die befindet sich – soviel sei schon vorab gesagt – in diesem Konzert auf höchstem Niveau.

Warum sollte man Mendelssohns „Hebriden“-Ouvertüre in der vom Komponisten selbst verworfenen Erstfassung spielen? Im Programmheft wird dies damit begründet, dass man auf diese Weise Einblick in Mendelssohns Schaffensprozess erhalte. Dieses Argument wirkt allerdings insofern etwas schwach, als der durchschnittliche Hörer kaum die endgültige Fassung der Ouvertüre im Ohr haben dürfte, was den direkten Vergleich ziemlich erschwert. Doch abgesehen von der gespielten Fassung ist die Aufführung durchweg erstklassig, um nicht zu sagen: mustergültig. Einen erheblichen Anteil an dem hervorragenden Gelingen hat Riccardo Chailly, dessen Dirigat an diesem Abend besonders überzeugen kann. Warum? Weil Chailly nie das musikalische Gleichgewicht der Kräfte vernachlässigt, weil er effektvolle Steigerungen nicht zu früh ausreizt, weil er seinen Musikern vertraut – und das völlig zu Recht: Die Streicher mit ihrem unnachahmlichen Gewandhaus-Klang bilden eine unzertrennliche Einheit, die Bläsersoli sind prägnant aber unaufdringlich. Kurzum: Alles ist so, wie es eigentlich immer sein sollte, aber wohl nur in glücklichen Momenten wie diesen sein kann.

Nach der „Hebriden“-Ouvertüre folgt mit dem Violinkonzert e-Moll Mendelssohns unvermeidlicher Dauerbrenner. Chailly erweist sich hier erneut als ein hervorragender Begleiter, der die Solistin auf Händen trägt. Es lohnt sich; denn Janine Jansen gestaltet ihren Part mit musikalischer Hingabe und fulminanter Spieltechnik. Den ersten Satz beginnt Jansen mit vornehmer Zurückhaltung, die sie aber bald zugunsten zupackender Dramatik aufgibt. Ob gewollt oder nicht: Der Satz erhält dadurch einen leicht zwiespältigen, dadurch aber auch sehr interessanten Charakter. Der zweite und dritte Satz halten, was der erste versprochen hat: Janine Jansen und das Gewandhausorchester harmonieren aufs beste und bieten dem Publikum einen mehr als würdigen Festtags-Beitrag.

Auch die zweite Konzerthälfte mit Werken von Robert Schumann begeistert vollauf. Sowohl die Ouvertüre zur Oper „Genoveva“ (manche Leipziger werden vor einigen Jahren die umstrittene Inszenierung an der hiesigen Oper gesehen haben) als auch die vierte Sinfonie erinnern daran, was man in der Sommerpause vermisst hatte. Ach ja: Die Sinfonie wurde in der Instrumentierung Gustav Mahlers gespielt. Wer also Schumanns Originalfassung gut im Ohr hatte, konnte – aber das Thema hatten wir ja schon.

Grosses Concert im Rahmen der Mendelssohn-/Schumann-Festtage 2006

Janine Jansen, Violine
Gewandhausorchester, Riccardo Chailly

Felix Mendelssohn-Bartholdy:
„Hebriden“-Ouvertüre op. 26 (römische Fassung)
Violinkonzert e-Moll op. 64

Robert Schumann:
Ouvertüre zur Oper „Genoveva“ op. 81
Sinfonie Nr. 4 d-Moll op. 120 (Instr. Gustav Mahler)

8. September 2006, 20 Uhr, Gewandhaus, Großer Saal

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