Die Junge Deutsche Philharmonie schlägt sich wacker

Das Jugendorchester im Gewandhaus: Von Schumanns Violoncello-Konzert in a-Moll bis Strauss‘ „Ein Heldenleben”

Heute haben sich gerade mal um die 250 Besucher ins Gewandhaus verirrt, ein Mann ist geradezu erschrocken über mein Erscheinen im hinteren Foyerbereich. Von den freundlichen Platzanweiserinnen wird man gebeten ins Parkett zu wechseln, die peinliche Leere des 2000 Besucher fassenden Hauses kann damit leider nicht überspielt werden. Wie in der letzten Spielzeit feiern sich die Veranstalter des Jugendorchesterzyklus´ selbst. Im Programmheft die Texte vom letzten Jahr: vom Gewandhausdirektor Andreas Schulz und der Künstlerischen Direktorin der Kulturstiftung des Bundes Hortensia Völckers: blumige Worte über den Boom der Jugend auf klassische Konzerte – leider interessiert sich die Jugend nicht dafür.

Dabei hätte das heutige Programm wirklich ein junges Publikum verdient gehabt: Steven Isserlis steigert sich in Robert Schumanns Cellokonzert in szenische Höchstleistungen, wem das nicht gefällt, kann ja die Augen schließen. Für das avisierte junge Publikum aber doch sicher ein Erlebnis wie emotional klassische Musik sein kann. Steven Isserlis´ historisches Instrument ist zuweilen etwas gewöhnungsbedürftig, im Kontrast mit den jungen Musikern des Orchesters, die der ausschweifenden romantischen Gesanglichkeit des Solisten mit staunender Distanz begegnen, will sich ein Gesamthörerlebnis leider nur partiell einstellen.

An zweiter Stelle dann ein Stück der finnischen Komponistin Kaija Saariaho: die „Adriana-Mater-Suite“. Das Stück basiert auf der im März dieses Jahres in Paris uraufgeführten zweiten Oper der Komponistin und wurde Anfang September in Frankfurt von der Jungen Deutschen Philharmonie uraufgeführt. Das Programmheft irrt leider, wenn die Uraufführung erst für den Dezember dieses Jahres angekündigt wird!
Die jungen Musiker sind jetzt hellwach, der impulsive Beginn öffnet alle Poren, Marc Albrecht folgt mit sichtlicher Begeisterung der Partitur Kaija Saariahos. Mit dramaturgischer Finesse gelingt es der Komponistin unsere Sinne einzufangen. Klangräume werden aufgespannt, dann urplötzlich werden wir allein gelassen, können in die Töne hinein hören, zurückblicken oder uns ausmalen wie diese Klangreise wohl weiter gehen wird. Ruhige Harfensoli stehen neben pulsierenden Aktionen der Blechbläser, durchaus auch assoziativ bewegt sich im dritten Teil „Wut“ die Musik mit sehr rhythmischen, zuweilen jazzigen Elementen nahe am Text. Patricia Bardon verleiht Adriana eine authentische Stimme. Kräftig, bisweilen fast roh interpretiert sie den Konflikt der jungen Frau: von einem Soldaten im Krieg vergewaltigt muss sie das Leben mit ihren Sohn Yonas, der sie ständig an das traumatisierende Ereignis erinnert, bewältigen. Der unprätentiöse Mezzosopran von Patricia Bardon fügt sich wunderbar zur charaktervollen, kantigen Musik.

Wer nicht bereit war, sich auf Saariahos Klangreise zu begeben, kam vielleicht nach der Pause auf seine Kosten: „Ein Heldenleben“ von Richard Strauss. Wenn etwas den Namen schwulstig verdient dann dieses Stück. Vierzig Minuten lang hat sich der Komponist geradezu maßlos der Klang- und Stilmittel des Orchesterapparates bedient. Zitate an sein eigenes Schaffen haben ihm den Vorwurf eingetragen, sich schon 1899 sein eigenes Denkmal gesetzt zu haben. Die Junge Deutsche Philharmonie schlägt sich wacker durch Partitur und erhält am Ende viel Applaus.

Jugendorchester im Gewandhaus – Konzert 5

Robert Schumann (1818 – 1856)
Konzert für Violoncello und Orchester a-Moll op. 129

Kaija Saariaho (geb. 1952)
Adriana-Mater-Suite

*****

Richard Strauss (1864 – 1949)
Ein Heldenleben – Tondichtung für großes Orchester op. 40

Junge Deutsche Philharmonie
Marc Albrecht
Steven Isserlis, Violoncello
Patricia Bardon, Mezzosopran

Mittwoch, 20.09.2006, 20 Uhr, Gewandhaus, Großer Saal

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