Derbe und laut

Abend der bedeutvoll bedeutungslosen Namen: Chikinki in der Ilses Erika

Warten. Warten. Warten. Der Film im Prager Frühling ist aus, doch um 23.00 Uhr ist noch nichts von der Band zu sehen und die Ilse füllt sich nur langsam. Schon beschließen die ersten Mutigen einen Kaffee zu bestellen und werden für diesen Szene Fauxpas im wahrsten Sinne des Wortes bitter bestraft. Eine Stunde später sind überraschend viele Gäste zusammen gekommen und die Ilse heizt sich auf. Ziehende Rauchschwaden zeigen an, dass man sich zum Konzertraum bewegt. Es hat schon längst Mitternacht geschlagen als fünf Jungs in hässlichen T-Shirts die Bühne hinaufklettern. Mit viel gutem Willen kann man ihr Aussehen als Konzeptkunst verstehen, denn immerhin decken ihre bedruckten Shirts alle Grundfarben ab und erinnern an Rumtollen im Kindergarten. In Zeiten von Hemd tragenden Indie-Schönlingen ein ungewohntes Bild. Gleiches gilt für das Publikum, das erfrischend uneitel war. Die Schickimickitussies und Buliemiebengel waren zuhause geblieben, und nur echte Rockrüpel und geschmackssichere Twens dort. Weshalb die Band aber dem schicken Indie-Volk durch die Lappen ging bleibt unklar. Vielleicht, weil Chikinki erst im Juni in der Moritzbastei auftraten. Für viele scheint eine Band, wenn einmal in dem favorisierten Musikmagazin und einmal live gesehen, abgehakt zu sein. Den weniger sprunghaften Konzertgänger kann das egal sein, denn dieses Konzert war derbe und laut. Sehr derb und sehr laut.

Die 5 Jungs aus Bristol kommen mit dem bescheidenen Ziel die Musikwelt zu erobern. Deshalb tourt Chikinki unentwegt und schenkte ihrem konzertverwöhnten Publikum 2005 das Album Lick Your Ticket. In der selbstverfassten Bandinfo beschreiben sie sich als: „Robo-punks playing glam-racket electroclash krautrock while wearing space-age sunglasses… fucking great!“ Eine gewagte Aussage für eine Band deren neue Single You Said mit einem klassischen schwarz/weiß Live-Videoclip daherkommt. Dagegen versprachen die Veranstalter der Ilses Erika eine „Melange aus Hardrock und Techno-Einflüssen“. Beides trifft es wohl nicht ganz. Eigentlich machen Chikinki nur guten Gitarrenrock mit netten Keyboard-Melodien und der charakteristische Sänger Rupert Browne komplettiert das hitlastige Set. Zwischenzeitlich überlegt man, ob man dieses oder jenes Lied nicht schon mal auf einem Mixtape, einer Party oder einem Festival gehört hat. Vielleicht, oder zumindest etwas ähnliches. „Like it or leave it“ lautet die Devise, die die Band gleich in Songform mitliefert. Manchmal drängen sich Gitarrensoli und die Elektrosounds den Sänger zum Schreien auf. Das Zuviel an allem artet daher live teilweise in Rauschen aus.

Egal, tanzbar ist es alle mal. Zudem wird dem geneigten Publikum visuell einiges geboten: Eine Stunde ekstatisches Zappeln mit Hardrockposen der 70er. Besonders die Keyboarder Trevor Wensley und Boris Exton sind ein unterhaltsames Vergnügen. Während einer vor seinen eigenen Bässen in die Knie geht und auf dem Boden kriechend scheinbar mehr mit seinem Kinn als seinen Händen spielt, steht der andere zitternd Samples in Space- und Industrial Sound einspielend da. Eingerahmt von den beiden, zieht der Sänger, standesgemäß stoned wirkend, ausgiebig böse Grimassen. Das hat zur Folge, dass sein Ausflug ins amüsierte Publikum von „bitte lass ihn nicht zu mir wanken“-Getuschel begleitet wird. Da Rupert sich als total harmlos herausstellt, obsiegt die Begeisterung und so werden noch Zugaben gefeiert bis der Frontmann fix und fertig von der Bühne schleicht.

Ein mitreißendes Konzert der fünf Briten. Sollte irgendwann der dritte Leipziger Gig ins Haus stehen, sei dabei. Damit die Zeit bis zum nächsten Konzert schneller vergeht, gibt es auf der Chikinki Hompage Videoclips, freie mp3s und Bilder zu entdecken.

Chikinki

20. September 2006, Ilses Erika

Bilder und Hörproben unter:

http://www.chikinki.co.uk/site.php

Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.