Klein, aber naja

„Sexy Mythos“: Zum Vorurteil des Künstlertums

„Eigentlich ist nix wirklich aufregend. Aber?“ war der erste Satz den ich hörte als ich die Ausstellung Sexy Mythos betrat. Vorbei an kunstvoll gestapelten leeren Weingläsern auf den Tischreihen rechts und links ging es weiter in die gutbesuchten Galerie. Für Sexy Mythos ist Leipzig die letzte Station, nachdem die Schau schon in Berlin und Graz zusehen war. Der Anspruch der Kuratoren ist hoch. Die Ausstellung zeige „Aktualität und Attraktivität von KünstlerInnenmythen und stellt diese der ökonomischen und gesellschaftlichen Stellung zeitgenössischer KünstlerInnen gegenüber.“ Was angesichts der Erfolgsgeschichte der Leipziger Schule und dem Mythos vom verkannten, Hunger leidenden Künstlertum fast schon grotesk klingt. Doch wer sich Zeit für einen Rundgang nimmt, wird dennoch das ein oder andere spannende Entdecken.

So zeigen zum Beispiel Filmcollagen die großen Herrn des Hollywood-Kinos als exzentrische und dennoch von Musen auf schritt und Tritt begleiteten Künstler. Das die meisten anwesenden Künstler eher allein oder mit Künstlerfreunden da waren und psychologisch ausgeglichen daher kamen, war zwar ein Kontrast – aber eine Überraschung? Nein. Nach über einem Jahrhundert Filmgeschichte wissen die Zuschauer, dass es einen Unterschied zwischen Phantasie, Traum und damit Filmmythos und der schnöden Wirklichkeit gibt. Nicht jeder Gärtner mordet und nicht jedes Zimmermädchen ist eine femme fatal.

Es verkauft sich aber besser ein sexy Image zu haben, soviel steht fest. Wenn sich Neo Rausch im Interview mit der Tagesschau als unzugänglichen und vor der Öffentlichkeit fliehenden sensiblen Künstler darstellt, dann mit System. Den jede Großmutter rät, wer sich rar macht, der macht auf sich aufmerksam und steigert seinen Wert. Ganz Profi lässt man andere sagen, wie toll man ist und so liest man im Kreuzer vom Hausmeister der Baumwollspinnerei, der den Neo Klasse findet, und in der Tagesschau lobt der Kurator. Wer will also den Mythos: Der Künstler? Der Zuschauer? Die Medien?

Es scheint, alle haben es sich bequem gemacht in der Welt der Mythen. Ob falsche Vorstellung oder nicht, die Göttersage vom unnahbare Genie lebt in all unseren Phantasien. Zum weit verbreiteten Volksglauben, heißt es bei Annette Hollywood in ihrer Bilderreihe Aquarelle werden gern gekauft, die Galeristen wollen es halt kitschig. Erfrischend anders kommen die Plakate und Postkarten von Martin Kippenberger daher. Zugegeben eine sehr kleine Auswahl, aber genug um seinen ironischen Umgang mit dem Bild des Künstlers zu erkennen. In seinen provokanten Selbstportraits zeigt sich Kippenberger, einer der „Neuen Wilden“, fernab von Erotik und Kult. Nachdem im Frühjahr die Tate Modern die erste umfassende Retrospektive von Kippenbergers Werk in Großbritannien zeigte, ist es doch schön zumindest einige Plakate auch in der HGB sehen zu können.

Gelungen auch der Rahmen, den die ansässigen Künstler und Künstlerinnen beigesteuert haben. So Beispielsweise Sandra Schubert, deren Fotografien die Nacktheit und das sich Darstellen des Künstlers hinterfragen. Denn letztlich sind es unsere Blicke auf das Werk, von denen wir den Künstler in unserem Kopf formen. Blicken denen sich der Schaffende ausgesetzt, die Gedanken und Gefühle des Zuschauers aber kaum kennen, geschweige den lenken kann. Gucken und gucken lassen. Phantasieren und phantasieren lassen. Sollte vielleicht besser das Kredo lauten.

Sexy Mythos
Selbst- und Fremdbilder von KünstlerInnen
Galerie der HGB Leipzig
9.November – 9. Dezember 2006

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