Französische Filmtage II: Höhepunkte (Tanja Müller)

Journées Du Cinema Français – 12. Französische Filmtage
22. bis 29. November
www.franzoesische-filmtage.de
Madame Bovary – R: Claude Chabrol, 1991
Coup de foundre – R: Diane Kurys, 1983
Fauteils d’orchestre – R: Daniéle Thompson, 2006
Quand j’étais chanteur – R: Xavier Giannoli, 2006
Deutscher Filmstart: 18.01.06
Höhepunkte der Französischen Filmtage: Eine Auswahl

Der Saal war bis auf den letzten Platz gefüllt. Viele waren zum Abschluss der 12. Französischen Filmtage in die Cinémath?que gekommen, um noch einmal Isabelle Huppert als Madame Bovary zu erleben. Die große französische Schauspielerin wurde dieses Jahr im Portrait in sieben Filmen vorgestellt. In der getreuen Verfilmung von Gustave Flauberts berühmten Roman spielt Huppert unter der Regie von Claude Chabrol, mit dem sie seit vielen Jahren zusammenarbeitet und deren letztes gemeinsames Projekt, der Politthriller L’ivresse du pouvoir (Geheime Staatsaffären), vor kurzem in den deutschen Kinos lief. Emma, Tochter eines reichen Bauern, heiratet den Landarzt Charles Bovary, um der Langeweile auf dem Land zu entfliehen. Doch sie wird des Lebens an der Seite ihres einfältigen und naiven Mannes (hervorragend gespielt von Jean François Balmer) schnell überdrüssig. Selbst die Geburt ihrer Tochter vermag Emma nicht aus ihrer Depression zu reißen. Um der Leere zu entgehen, lässt sich Emma auf Liebesabenteuer ein und verfällt einer Luxussucht, die ihre kleine Familie am Ende ruinieren wird. Huppert spielt eine Madame Bovary, die erschreckend kalt zu ihrem Mann aber auch zu ihrer Tochter ist. Umso mehr schmachtet Emma in den Armen ihrer Liebhaber dahin, von denen sie sich ein erfülltes Leben erhofft. Oft gleitet sie dabei ins Hysterische ab. Isabelle Huppert zeigt als Madame Bovary, dass sie ihr Metier beherrscht. Nur weniger Gesten bedarf es, um die Verachtung von Emma gegenüber ihrem Mann zu zeigen. Die schmachtende Hingabe an ihrer Liebhaber ist dagegen so stark inszeniert, dass sie immer wieder zu unfreiwilliger Komik und Lachern im Kinosaal führte. Am Ende bleibt nur Mitleid mit Emma, aber vor allem mit ihrem Mann, der sie aufrichtig liebt, alles für sie tut, und sie am Ende doch nicht zufrieden stellen kann: C’est la fatalité. Das Schicksal ist es gewesen, niemand hat Schuld daran, dass es so kommen musste, wie es gekommen ist.

Ganz anders dagegen die Figur von Lena aus Coup de foudre (Träume von Zärtlichkeit), einem weiteren Film, der in der Portraitreihe gezeigt wurde. Lena ist wie Emma Bovary eine unglücklich verheiratete Frau. Ihren Mann hat sie in den Wirren des 2. Weltkriegs kennen gelernt und geheiratet. Doch schnell wird klar, dass die beiden nicht so recht zusammenpassen. Ihr Leben ändert sich, als Lena Madeleine kennen lernt, eine gleichfalls unglücklich Verheiratete. Die beiden Frauen fühlen sich zueinander hingezogen. Ihre Freundschaft, mit latent homoerotischen Zügen, bedeutet einen Ausbruch aus ihrem Hausfrauendasein an der Seite ihrer Männer. Sie planen eine gemeinsame Modeboutique zu eröffnen, um sich somit auch aus der wirtschaftlichen Abhängigkeit von ihren Männern zu lösen, doch bringt dies Probleme mit sich. Die Frauen müssen sich entscheiden: Zwischen ihrer Familie und dem Leben als Hausfrau und Mutter und einem unabhängigen Leben als eigenständige Frauen. Am Ende entscheiden sich die Frauen füreinander und gegen ihre Ehen. Coup de foudre ist ein einfühlsamer Film, der allen Figuren Raum gibt, auf pauschale Urteile und Klischees verzichtet und von seinen zwei starken Hauptdarstellerinnen Isabelle Huppert als Lena und Miou-Miou als Madeleine lebt.

Neben Isabelle Huppert konnte man bei den französischen Filmtagen auch das aktuelle Filmschaffen in Frankreich entdecken. Dabei fiel vor allem Cécile de France auf, die gleich in zwei aktuellen Filmen eine Hauptrolle spielte.Fauteils d’orchestre (Ein perfekter Platz) ist ein liebenswerter Film, in dessen Mittelpunkt Jessica (Cécile de France) steht, eine junge Frau aus der Provinz, die in Paris einen neuen Anfang sucht. Sie kommt als Kellnerin in einem Bistro nicht weit vom Eiffelturm unter. Hier gehen Schauspieler, Musiker und Kunstsammler aus den nahe gelegenen Theater, Konzerthaus und Auktionshaus ein und aus. Mit ihrer erfrischenden Offenheit gewinnt Jessica bald Einblicke in die ihre fremde Welt des Reichtums und Luxus. Ein Leckerbissen des Films ist Valérie Lemercier in der Rolle der aufgedrehten Schauspielerin Catherine, Seifenopernstar mit höheren Ambitionen. Alles in allem ist Fauteils d’orchestre eine kurzweilige Komödie ohne größeren Tiefgang, die einen schmunzeln und herzhaft lachen lässt.Quand j’étais chanteur (Als ich Sänger war) ist die Geschichte einer aufkeimenden Liebe zwischen einem alternden Chansonsänger und einer jungen Immobilienmaklerin. Während Gérard Depardieu routiniert den in den Tanzlokalen der französischen Provinz gefeierten Sänger Alain Moreau mimt (und dabei selbst singt!), bereitet die Figur der Marion (Cécile de France) mehr Schwierigkeiten. Ihre Vorgeschichte, die ihre gegenwärtige Gefühlslage entscheidend mitbestimmt, geht nur vage aus Andeutungen hervor. Vieles bleibt im Dunkeln, so dass der Zuschauer sich fragt, welches Problem die junge hübsche Frau eigentlich plagt.

Auch in diesem Jahr wurde wieder der Publikumsliebling unter den Filmpremieren gewählt. Gewonnen hat mit deutlichem Vorsprung der Film Je vous trouve tr?s beau. Das Konzert zum Abschluss der Französischen Filmtage in der Schaubühne Lindenfels ist krankheitsbedingt ausgefallen.(Tanja Müller)
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