Nicht jedermanns Wunschbrunnen: „The Fountain” (Michael Grass)

The Fountain
Buch & Regie: Darren Aronofsky
Mit: Hugh Jackman, Rachel Weisz & Ellen Burstyn
USA 2006 – 97 Minuten
Verleih: Kinowelt Filmverleih GmbH
Kinostart: 18. Januar 2007
www.thefountain.kinowelt.de
Alt wie ein Baum möchte ich werden… – Eine The Fountain-InterpretationVom Baum des Lebens fällt
Mir Blatt um Blatt.
Hermann Hesse: Vergänglichkeit

Es ist Zeit. Und Zeit vergeht. Manche können ihre Zeit gewinnbringend nutzen, anderen gleitet sie durch die Hände, wie der Sand der Dünen. Die sie nutzen, können die Bilanz der Kosten-Leistung-Rechnung ihres Lebens positiv abschließen. Den Tod, das Ende ihres Seins, fürchten jene nicht. Die anderen suchen auf verworrenen Wegen die verstrichene Zeit zurückzuerobern, die Stunde des Abschieds hinauszuzögern. Doch der Tod ist nicht das Ende – es ist ein neuer Anfang. Isabella-Izzi (Rachel Weisz), spanische Königin und krebskranke Schriftstellerin in Personalunion, hat diese Ambivalenz des Todes längst begriffen. Der arbeitssüchtige Tom (Hugh Jackman) hingegen, Gehirnchirurg, der seine Frau zu retten glaubt, in dem er für sie Stunden und Tage in seiner Klinik mit Experimenten an Tieren verbringt, verweigert sich dieser Erkenntnis. Mit immer neueren Versuchen und Methoden versucht er den Krebs zu bezwingen. Er injiziert Affen Pflanzenpräparate und klammert sich an die Hoffnung, dass alles Tun, jedes Wagnis, alle Zeit, die er opfert, ihr, Izzis, Leben retten kann.

Izzi stattdessen schreibt ein Buch – The Fountain – welches die Geschichte des spanischen Konquistadoren Tomas erzählt, der, ausgesandt von seiner Herzensliebe Isabella von Spanien, im Mexiko des 16. Jahrhunderts nach der Quelle des Lebens sucht. In Spanien unterdessen wütet die Inquisition, breitet sich aus wie ein Tumor. Und der Inquisitor tilgt mit Blut die spanischen Gebiete von der Karte, die sich seinem Einfluss längst unterworfen haben. Isabella rennt die Zeit davon. Tomas wagt alles, begibt sich in das Herz Mexikos und klammert sich an die Hoffnung, dass alles Tun, jedes Wagnis, alle Zeit, die er opfert, Spaniens Königin, seine Liebe, retten kann.

Tom sucht ein Heilmittel gegen den Krebs, Tomas ein Mittel gegen das Geschwür. Plötzlich scheint alles gewonnen. Nach andauerndem Kampf gegen Fehlversuche, Vorurteile und Bürokratie ist das Heilmittel gefunden. Der Affe lebt weiter. Doch Izzi stirbt. Tom hat versagt. Der Tod hat gesiegt.

Plötzlich scheint alles gewonnen. Nach andauerndem Kampf gegen Eingeborene und Intrigen ist die Quelle des Lebens gefunden, eine heilige Pyramide der Maya. Doch Tomas kann den letzten Schritt nicht gehen. Er stirbt durch das Messer eines Schamanen, der jene Quelle beschützt. Der Tod hat gesiegt.

Doch der Tod ist nicht das Ende – es ist ein neuer Anfang.

Danke, wissen wir schon. Aber warum konfrontiert uns Darren Aronofsky mit dem Unmut seines Hauptdarstellers? Seit dem Tod Izzis verfängt sich Tom in der Paranoia, die Quelle des ewigen Lebens zu finden. 500 Jahre später reist er in einem Seifenblasentraum von Raumschiff hinauf in das Xibalba, den mythischen Nebel der Mayas, den Ursprung allen Lebens. Wofür Tomas-Tom eintausend Jahre braucht, hätte ein Kurzfilm gereicht. Doch Aronofsky trichtert seinen Zuschauern Minute um Minute seine Visionen von Leben und Tod ein: Der Tod ist nicht das Ende, sondern ein neuer Anfang. Tomas besteht den Initiationsritus und wird wiedergeboren, aus Izzis Grab erwächst ein Baum als Sinnbild des Neubeginns, den sich das Leben schafft. Mit vielfarbigen, gewaltigen und esoterisch anmutenden Bildern arrangiert Aronofsky diese seine Vision. Das Ende erinnert den Zuschauer an das Finale von 2001: A Space Odyssee, nur die Musik ist besser. Auch das schauspielerische Talent von Hugh Jackman hätte man Wolverine kaum zugetraut. Die metaphernreiche Sprache des Streifens geht durchaus unter die Haut. Aronofsky versteht es wie kaum ein anderer, Farben, Formen und Einzelbilder zu einem visuellen Nonplusultra zu komponieren. So kann der Film vor allem optisch überzeugen. Das esoterische Yoga-Gehabe jedoch geht schnell auf die Nerven und gerät zum multikulturellen Zeichenbrei. Das Zwiegespräch von Leben und Tod verkommt zu einem heruntergeleierten Mantra, das ohne Verweis auf einen zusammenhängenden Hintergrund bleibt.

Die Suche nach dem ewigen Leben stürzt den Einzelnen nur in Depressionen, das ist uns bereits – „Who wants to live forever“ – aus Highlander bekannt. Der Tod ist dem Leben so immanent wie das Negativ einer Fotografie. Denn nie kann ja etwas leben und nicht sterben. Ewig leben hieße ewig nie lebendig sein. Darum, wenn ihr die Quelle des Lebens findet, schlagt sie in Stücke.(Michael Grass)Für eine Kurzrezension von The Fountain siehe:

24.09.2006
Neuvorstellungen für den Winter – die 6. Filmkunstmesse Leipzig (Tobias Prüwer, Maike Schmidt)

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