Die Such nach Ungarns Seele

Das 5. Rundfunkkonzert im Gewandhaus unter Leitung von Christian Arming

Es ist schon fast Tradition in Leipzig, dass der MDR Klangkörper mit spannenden Programmen das Publikum ins Gewandhaus lockt. Vor vier Wochen war das Haus bis auf den letzten Platz gefüllt als Philip Glass‘ Symphony No. 5 in Anwesenheit des großen Zauberers aus Amerika auf dem Programm stand. Auch heute hat sich eine passable Schar von Zuhörern mit auf die Suche nach Ungarns Seele begeben. Auf dem Plakat waren verheißungsvoll zwei zerschnittene Paprikas zu sehen…

Sándor Veress‘ Klagegesang über den frühen Tod Béla Bartóks im September 1945 ist eine subtil schwingende Struktur. Leise beginnt die Pauke, wie hingehaucht, man spürt die physischen Schwingungen des Fells, ein Crescendo der Streicher führt zu einem erstem Orchestertutti, aufwühlendes erregendes Blech. Die pochende Totenpauke hält das Stück zusammen, nach dem drittem Aufschrei löst sich die Komposition im nichts auf. Christian Armings Gestaltungskraft ist begrenzt, die physische starke Musik setzt sich schließlich dank den exzellenten Musikern des MDR durch und lässt eine Erwartung zurück.

Zoltán Kodálys Psalmus Hungaricus ist aber nicht so ein Selbstläufer. Hier braucht es Gestaltungswillen und eine ordnende Idee, um den Klang zwischen Orchester, Tenor und Chor richtig auszutarieren. Christian Arming lässt den Dingen aber ihren Lauf, gegen das ungebändigte Blech und den kraftvollen Chor hat Solotenor Kurt Azesberger freilich keine Chance. Die Partitur arbeitet insgesamt sehr eindimensional. Der Solist in sehr langen erzählenden Passagen muss oft ohne Orchesterfarben auskommen, irgendwie emotional wird es, wenn der hochmotivierte Chor in den a-cappella-Passagen in die Höhe steigt, zum Teil leider über das Ziel hinausschießt und der Wohlklang zu einem undifferenzierten Brei verkommt.

Béla Bartóks Konzert für Orchester geht dann völlig in die Hosen. Christian Arming findet die ungarische Seele nicht. Das Melodische der einzelnen Stimmen bleibt isoliert, niemals gelingt es die Strukturen zu verweben. Gerade hier liegt doch die Eigenheit des folkloristisch intendierten Schaffens unserer östlichen Nachbarn, nicht in den einzelnen Aktionen, sondern in dem Ganzen verbindenden farbigen Anstrich liegt der Reiz dieser Musik, die ja deshalb gerade ohne die westeuropäischen Imperative auskommt.

5. RUNDFUNKONZERT – Ungarns Seele

MDR SINFONIEORCHESTER
MDR RUNDFUNKCHOR
Leitung: Christian Arming
Tenor: Kurt Azesberger
Sándor Veress: Threnos (in memoriam Béla Bartók)
Zoltán Kodály: Psalmus Hungaricus op. 13 für Tenor, Chor und Orchester
Béla Bartók: Konzert für Orchester

13. Februar 2007, Gewandhaus, Großer Saal



Kommentar hinterlassen

Kommentar hinterlassen

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert.