Denkmal ohne Mahnung: „Letters from Iwo Jima” (Michael Grass)

Letters from Iwo Jima
Regie: Clint Eastwood
Buch: Iris Yamashita & Paul Haggis
Mit: Ken Watanabe, Kazunari Ninomiya & Ryo Kase
USA 2006 – 141 min.
Verleih: Warner Bros.
Filmstart: 22. Februar 2007
wwws.warnerbros.de/lettersfromiwojima
Denkmal ohne MahnungGegen eine Zeit die Helden braucht, richten wir nichts aus.
Christa Wolf: Kassandra

Im Zuge von Globalisierung und Wirtschaftszusammenschlüssen ist verstärkt eine Wiederbelebung des Glorifizierens nationaler und regionaler Eigenheiten zu beobachten. Fremdes wird geringschätzt. Was der Bauer nicht kennt, frisst er nicht. Gegenüber außerregionalen Einflüssen wird eine lauernde Verteidigungshaltung eingenommen. Die heutige Politik spielt dabei dem ausgeprägten Nationalismus ruhigen Gewissens fortlaufend den Ball zu. Und wir sollen nun den krankhaften Patriotismus von 1945 ächten?

Als vor 62 Jahren US-amerikanische Truppen auf der neun mal vier Kilometer großen Insel im Pazifik landeten, um einen Luftlandestützpunkt für die bevorstehende Invasion in Japan zu errichten, trafen sie auf unerwarteten und heftigen Widerstand der zahlenmäßig weit unterlegenen kaiserlichen Armee. Mit zwielichtigen Methoden wurden die Soldaten für die Tenno-Armee rekrutiert, mit zwielichtigen Methoden das Volk auf der Mutterinsel patriotisch bei der Stange gehalten: der Fahnenstange. Wer die kaiserliche Flagge nicht hisste, musste mit Konsequenzen rechnen. Wer sich nicht freute, für Land, Kaiser und Ehre zu sterben, ebenso.

Das Inselkampfduo Flags of our Fathers und Letters from Iwo Jima reiht sich gnadenlos in die filmischen Projektionen des amerikanischen Weltsieges der letzten Zeit ein. Letters from Iwo Jima ist ein handwerklich solider Kriegsfilm, der kein Antikriegsfilm sein will, wie Produzent und Regisseur Eastwood auf der Berlinale betonte. Er schildere historische Ereignisse. Heruntergenommene Farbe und viel Blut unterstützen ein gewolltes Gefühl des Abscheus beim Betrachter.

Auf der Berlinale wurde Letters from Iwo Jima als verspätetes Denkmal für die japanischen Soldaten, die auf der kleinen, nach Schwefel stinkenden Pazifikinsel umgekommen sind, gelobt. Eastwood wollte zeigen, dass auch die Japaner des Heldenrangs würdig sind. Das sie, wie die Amerikaner, der Propaganda und Kriegstreiberei der Staatsführung zum Opfer gefallen sind, aber ebenso heldenhaft für ihre Heimat starben. In Flags of our Fathers, dem ersten Teil des Inseltreibens, wird die Konstruktion eines Heldentypus als Agitationsmittel zur Kriegsstimulation beschrieben. Der amerikanische Kriegsheld als Leitfigur im ideologisch umgeformten Nationendrama. Es mangelt nicht an kritischem Gehalt. Am Ende stellte sich die Frage, wer die eigentlichen Helden gewesen seien. Doch hieß die Essenz daraus eher: Egal, wir können und müssen auf alle stolz sein, sogar auf die Indianer. Die Fahne auf der höchsten Erhebung der Insel Iwo Jima wurde zum unbestreitbaren Symbol des gerechten Krieges, das auch Eastwood nicht anzuzweifeln vermag. In der Fortsetzung zeigt nun die Schilderung aus Perspektive der Japaner, wie schrecklich und widersinnig das ganze Gekämpfe eigentlich ist. Eastwood macht deutlich, dass Ehre und Patriotismus hohle Floskeln sind, welche, ungeachtet menschlicher Verluste, die Kriegsmaschinerie am Laufen halten sollen. Aber er verdammt diese Einsicht in die Reihen der Japaner. Die Sinnlosigkeit eines Krieges, die Eastwood in Letters from Iwo Jima zum Ausdruck bringen wollte, wird in Flags of our Fathers nur marginal betrachtet. Es wäre mutig und sicherlich nicht unnötig gewesen, in der amerikanischen Perspektive auf die Schlacht um Iwo Jima ein solches Moment stärker zu machen als geschehen. (Michael Grass)

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