Welche Streitereien es in einer internationalen Journalisten-WG gab, wie es ist, als Frau im Irak zu leben und wie sie eine neue Liebe fand, beschreibt Susanne Fischer in „Meine Frauen-WG im Irak“
Zwölf Menschen, aus sechs verschiedenen Ländern, mit fünf verschiedenen Religionen feiern gemeinsam ein Fest. Und das in einem Land, das wie viele weitere muslimische Länder im vergangenen Jahr durch die Schlagworte „Karikaturenstreit“ und „Kampf der Kulturen“ in die Medien gelangt ist: Die Rede ist vom Irak. Susanne Fischer beschreibt in ihrem Buch beide Seiten: den Kampf der Kulturen im Kleinen, aber auch die multikulturellen Momente, die sie erlebt hat. Die Journalistin war ein Jahr im nordirakischen Suleimania, um dort irakische Journalisten nach westlichem Modell auszubilden. In dieser Zeit lebte sie in einer Villa mit anderen Journalisten aus der ganzen Welt zusammen. Welche WG-Streitereien es gab, wie es ist als Frau im Irak zu leben und wie sie eine neue Liebe fand, beschreibt Susanne Fischer in ihrem Buch Meine Frauen-WG im Irak – Die Villa am Rande des Wahnsinns.
Fischer schrieb das Buch aus verschiedenen Perspektiven, die man zunächst als Leser nicht zusammenfügen kann. Da werden WG-Probleme wie das alltägliche Kochen und Abwaschen beschrieben, dann die irakische Gesellschaft und Geschichte, außerdem gibt es Rückblenden auf die Lebensgeschichten der Mitbewohner und kurze Einblicke in den Arbeitsalltag. Fast scheinen die beschriebenen Ereignisse wahllos zusammengewürfelt. Doch diesen Eindruck hat der Leser nur am Anfang. Am Ende bleibt das Gefühl, die Zeit der Autorin im Irak nachvollziehen zu können. Man spürt, wie es gewesen sein muss, als blonde Frau dort angeschaut zu werden, wie es sein kann, im Irak zu leben und dass auch trotz unterschiedlicher Kulturen viele Probleme eher aus dem alltäglichen Zusammenleben als aus diesen kulturellen Unterschieden resultieren. Gleichzeitig lernt man die irakische Gesellschaft ganz anders kennen als in den üblichen Fernsehbildern: Wie es ist, mit nur vier Stunden Strom am Tag zu überleben, wie die Menschen damit umgehen, dass sie jederzeit sterben könnten; dass viele schon mehrmals geflüchtet und dann doch wieder in ihr Heimatland zurückgekehrt sind. Man versteht, dass westliche Frauen im Irak beobachtet werden wie ein Goldfisch in seinem Glas.
Das Buch verbindet die gesellschaftliche und politische Entwicklung des Iraks gekonnt mit dem reflexiven, westlichen Blick auf die irakische Gesellschaft und Kultur. Gerade durch die Beschreibungen von scheinbaren Nebensächlichkeiten lernt der Leser die Eigenheiten der irakischen Kultur kennen, erkennt seine Vorurteile über den Irak, bekommt diese zum Teil bestätigt und beginnt, über die eigene Kultur und die westliche Lebensweise kritisch nachzudenken. Insgesamt ein gelungenes Buch, das sich durch die lebhafte und bildreiche Sprache schnell und angenehm lesen lässt.
Susanne Fischer: Meine Frauen-WG im Irak – Die Villa am Rande des Wahnsinns
Piper Verlag
München 2006
249 Seiten – 17,90 €
www.piper-verlag.de
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