Tempus fugit? Das deutsch-israelische Tanztheater „LOOPS” (Alessa Paluch)

LOOPS
Deutsch-israelisches Tanztheater
LOFFT
Choreographie: Ronit Ziv & Jana Ressel
Tanz: Ran Brown, Mathis Kleinschnittger, Inbal Oshman, Ronit Ziv & Undine Förster
Premiere: 25. April 2007
www.tanzloops.de


LOOPS. Wie fühlt man Zeit?

Es läge nahe, diese Rezension mit der Aussage zu beginnen, dass man Zeit nicht – wie es im Programmheft steht – durch Bewegung wahrnimmt, sondern durch ihre Dehnung, wenn sie zur Langeweile gerinnt. Zeit fühlt man am deutlichsten, wenn sie nicht vergeht. Oder wenn sie ungenutzt an einem vorbeizieht, man die Uhr ticken hört, die kostbaren Minuten anders zubringen möchte, mehr als einen besseren Zeitvertreib im Kopf hat. Ganz so schlimm ist dieses deutsch-israelische Tanztheaterprojekt zum Glück nicht.

Der Abend beginnt mit dem Warten auf den Einlass. Gehört das vielleicht schon dazu? Ein performatives Element, an dem das Publikum direkt mal „Erwartung“ fühlen kann? Leider nein: Zwei der drei weiblichen Tänzerinnen sind verletzt bzw. erkrankt, und wegen Umbesetzungsproben hat sich der Beginn verschoben. Man solle berücksichtigen, dass diese Premiere also nicht wie geplant ablaufen könne, Sequenzen aus den vier Teilen mussten raus genommen oder innerhalb eines Tages einstudiert werden. Nun gut.

Überraschenderweise ist der zweite, am ärgsten betroffene Teil Fetzige Zeiten von Jana Ressel, in dem der weibliche Part von der Leipziger Tänzerin Undine Förster übernommen werden musste, der beste des Abends, trotz dieser eklatanten Umbesetzung. Ein Paar tanzt seine Rituale, die sich wiederholende Geschichte von Annäherung und Abweisung, von Missverständnissen und einvernehmlicher Synchronisation. Variiert werden das Tempo, die Pausen, der Ort im Raum, die Zueinanderordnung der beiden Tänzer (Undine Förster und Mathis Kleinschnittger). Welch schöne Zusammenfassung einer alltäglichen Beziehung!

Beim ersten Teil Punchline fällt ebenfalls nicht weiter auf, dass der Part der Tänzerin Sharon Zuckermann von Inbal Oshman getanzt werden muss. Hier scheint es um den Kampf gegen den eigenen, hier spezifisch weiblichen Körper und dessen Zerfall im Laufe der Zeit zu gehen. Wir sehen eine Frau trainieren, eine weitere (Ronit Ziv, auch Choreographie) kommt dazu und versucht, zu konkurrieren und zu kommunizieren. Sie erzählt unter anderem von ihrer baldigen Heirat, von ihrer Sehnsucht, und kann nicht mithalten, bricht am Ende von der anderen unbeachtet verausgabt zusammen.

Die ersten beide Teile sind amüsant, nett, ein schöner Einstieg, ein leichtfüßiger Umgang mit dem -ach so melancholischen- Thema Zeit. Doch leider sind die folgenden zwei Teile enttäuschend gewollt und angestrengt plakativ. Im dritten Teil Ten Minutes nun das Unumgängliche: Wir sehen eine Frau (Ronit Ziv, ebenfalls Choreographie), die auf einen Gast wartet, ganze zehn Minuten lang. Wir sehen ihre Vorbereitungen, ihre Mühen, ihre Aufregung, die in Hysterie um schlägt, und ihren Kampf mit ihrem Alter Ego (Inbal Oshman), mit der Verkörperung ihrer Lust oder die Frau, bei der der Gast derweil verweilt? Ganz deutlich wird das nicht, und der expressive Tanz der Frauen in Unterwäsche um den gedeckten Tisch gerät ein wenig lächerlich. Der letzte Teil Verzögerung eines Augenblicks (Choreographie: Jana Ressel) trumpft dann mit dem obligatorischen Sand, der vom Schnürboden rieselt, auf. Eine Narration ist nicht auszumachen und der Tanz ohne eine Geschichte nur wenig ausdrucksstark. Die fehlende Tänzerin wurde nicht ersetzt, wir sehen statt zwei Frauen und zwei Männern also nur eine Frau, und der Kampf um diese drängt sich als Bild auf, was sicher nicht so gemeint war.

Zum Thema Zeit wird einem insgesamt nicht viel erzählt. Neue Bilder, Gesten oder Bewegungen für altbekannte Situationen, was noch immer die Stärke von Tanztheater war, sind sehr spärlich gesät. Eine eingegrenztere, nicht ganz so komplexe Fragestellung hätte dem ambitionierten Projekt wahrscheinlich gut getan.

(Alessa Paluch)

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