Gesang der Liebe

Olivier Messiaen und Roger Muraro sind die Französische Klangzauberer im 7. Rundfunkkonzert im Gewandhaus

Es ist wirklich beeindruckend mit welcher Zielstrebigkeit der MDR-Klangkörper die Musik des 20. Jahrhunderts fördert. Neben den Werken gelingt es auch immer wieder die Protagonisten selbst nach Leipzig zu holen. Im Februar schien die ganze Stadt von den Plakaten „Glass is coming“ wie elektrifiziert. Heute erlebt das Gewandhaus mit Roger Muraro am Klavier einen der besten Messian-Interpreten unserer Zeit. Das Parkett des Gewandhauses ist auch gut gefüllt und man staunt über die wohltuende Anzahl von jungen Zuhörern.
Messian reflektiert in seinem Schaffen konkrete Augenblicke seines Lebens: Menschen, Landschaften und natürlich die von ihm geliebten Vögel. In seiner Turangalîla-Sinfonie sind es Erinnerungen über schicksalhafte Augenblicke der Liebe. Direkte Bezüge zu Richard Wagners Tristan und Isolde liefert Messian in seinen ausführlichen Erläuterungen zum Werk selbst. Ob Messian in der herausragenden Stellung des Klaviers auch Biografisches verarbeitet hat bleibt Spekulation: „Ich habe lediglich die Vorstellung von einer schicksalhaften Liebe beibehalten, einer unwiderstehlichen Liebe, einer Liebe, die im Prinzip tödlich endet und bis zu einem gewissen Grade den Tod herbeisehnt….“. Messian, ein sehr religiöser Mensch, konnte sich erst drei Jahre nach dem Tod seiner ersten Frau Claire Delbos öffentlich zur Pianistin Yvonne Loriod bekennen, der Pianistin der Uraufführung 1949 in Boston!

Die Bezeichnung Sinfonie ist bei diesem Werk in einer allgemeinen Bedeutung eines mehrteiligen Orchesterwerkes zu verstehen. Die zehn Sätze versuchen sich erst gar nicht an der klassischen Sonatenform, sehr frei werden Themen erfunden und entwickelt. Vier Hauptthemen „Th?mes cycliques“ tauchen regelmäßig wieder auf und geben der Komposition den notwendigen Rahmen, um das „kalkulierte Chaos“ der orgiastischen Klangwolken, der entfesselten Rhythmik und der farbigen Filmmusikmelodien zu tragen. Im ersten Satz erliegt Günter Neuhold der funkelnden Fülle und zündet ein Feuerwerk von Geräuschen, die im Blech die Grenze des Hörbaren schon mal überschreiten. Aber wer könnte da schon widerstehen: neben den beiden Solisten besteht die Besetzung aus mehreren Flöten, 2 Oboen, Englischhorn, 2 Klarinetten, Bassklarinette, 3 Fagotte, 4 Hörner, 3 Trompeten in C, Piccolotrompete in D, Kornett, 3 Posaunen, Tuba, Klaviaturglockenspiel, Celesta, Vibraphon, Röhrenglocken dazu große Schlaginstrumentengruppe und der riesige Streicherapparat des Orchesters. Die Tempi sind später gemessener, dadurch wird die faszinierende rhythmische Struktur transparent. Wunderbar heiter und ruhig der sechste Satzes „Jardin du sommeil“ mit seiner schleifenartigen Melodie, ein wohltuendes Verschnaufen bevor sich die Orchestertutti wieder wild aufbäumen. Valérie Hartmann-Claverie am Ondes Martenot versinkt oft im Klangkosmos des Komponisten, der Klavierpart kann sich da freier gebärden. Roger Muraro zaubert aus dem Instrument schimmernde Klangkaskaden. Verwundert reibt man sich die Augen zu welchen Geräuschen ein Flügel fähig ist: auf sphärisch horizontales Flimmern folgen perkussive Strukturen die den fünf Perkussionisten des Orchesters auf Augenhöhe begegnen. Wie leicht sich Roger Muraro durch diese Partitur bewegt ist einzigartig, und so schafft er es, gestaltend den gesamten Klangkosmos des Stückes zu beeinflussen. Vom MDR Sinfonieorchester und Günter Neuhold scheint man eine Art Neue-Musik-Klangkultur zu vernehmen, sehr engagiert lässt es sich ein und reagiert auf den sprühenden Solisten und Star des Abends – Roger Muraro.

7. Rundfunkkonzert – Gesang der Liebe

Olivier Messiaen: Turangalîla-Sinfonie
MDR Sinfonieorchester
Dirigent: Günter Neuhold
Klavier: Roger Muraro
Valérie Hartmann-Claverie, Ondes Martenot

15. Mai 2007, Gewandhaus, Großer Saal

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