Herrliche Offenbarungen

Ahne ist mit Gott per Du und plaudert mit ihm über Spießer, Bioeis und Gentechnik

Your own personal Jesus
Someone to hear your prayers
Someone who cares …
Someone to hear your prayers
Someone who’s there
Depeche Mode: Personal Jesus

Wer hätte nicht gern einen Lotsen in dieser Welt, jemand, mit dem man reden kann, einen Freund zum gepflegten Gespräch? Und wenn man sich die Person schon aussuchen kann, warum dann nicht gleich den Allmächtigen wählen? Das dachte sich Ahne und machte sich Gott zum Kumpel. Ihre Plaudereien sind nun in Buchform im Verlag Voland & Quist protokolliert.

Angesichts der viel zierten „Entzauberung“ der modernen Welt (Weber) und des ausgerufenen Todes eines allgemeinen Gottes (Nietzsche), gestaltet sich die Suche nach ein wenig Sinn auf Erden individueller, und man muss sich seinen Ratgeber, den personal Jesus zum Quatschen, selbst basteln. Ahne hat es da einfacher, denn bei ihm wohnt Gott in der Berliner Kieznachbarschaft. Gerade ist dieser von der Choriner Straße 63 in die 61 gezogen, weil ihm dort die Leute nicht so kleinbürgerlich daherkommen. Gegen Spießer hat Gott nämlich eine Aversion. Da ist ihm der schnoddrige Ahne viel lieber, der ihm auch mal Geld leit oder hin und wieder etwas aus der Kaufhalle mitbringt. Ihre Zwiegespräche berichten von den Berg- und Talfahrten des Alltags, und das im geschliffenen Berlinerisch. Gott offenbart hierbei ein sehr menschliches Antlitz, was wenig erstaunlich ist, schließlich wurden wir ja nach seinem Ebenbild erschaffen. Er reflektiert über Sinn und Unsinn der GEZ, trinkt nach guter Ossi-Manier sein Bier nur aus braunen Flaschen und mag rhetorische Fragen, bei denen man ihm gefälligst nicht ins Wort zu fallen hat. Man erfährt von Gott, dass er aufgrund des sozialistischen Atheismus ungern Ostblockautos fährt und den Mauerfall kaum zur Kenntnis nahm, weil er im November `89 intensiv den Faschingsanfang – als Zorro verkleidet – in einer Eckkneipe gefeiert hat. Er verfügt, oh Wunder, über ein immenses Wissen und lacht einmal über Ahnes Allgemeinbildung, weil dieser nicht weiß, was vor dem Urknall passierte. Leider ist er nicht bereit, für Ahne als göttlicher Telefonjoker in einer Quizshow zu fungieren. Meistens gibt sich Gott aber als knorke Type, mit der Ahne bei einem Ökoeis prima palavern kann, und die sich nicht einmal durch Fundamentalkritik am herrschenden System stößt. Denn, so die Ausrede: „Die Grundlagen, Sportsfreund, die Grundlagen habick jemacht.“ Für den Rest seien die Erdlinge schon selbst verantwortlich.

Besonders hübsch gestaltet sich der Zank über die manipulative Genetik und das vermeintlich eindeutige chromosomale Geschlecht:A[hne]: Dit sind die Chromosomen. Die sind dafür vaantwortlich, dit wir so sind wie wir sind, also, vom Jeschlecht her, jetze.
G[ott]: Gloobste?
A: Is so. …
G: Und woher komm‘ die, deine Meinung nach, aus’n Mustopp villeicht?
A: Ick hab dit nich studiert, Gott. … da jibs bestümmt ooch ne eigene Forschungsrichtung, Chromosomenforschung wahscheinlich, die dit in’n Labor denn aforschen.
G: Dit sind die mit die Clowns, wa?
A: Klone meinste bestümmt, Klone. Also, dit is nochma, dit is so eha Reproduktionsgenetik, mehr. …

In der sich anschließenden Diskussion über die pränatale Diagnostik gibt sich Gott entrüstet wissenschaftskritisch und wirft schließlich ein: „Die wolln Robotamenschen machen.“ Schließlich verstricken sich beide in einen hübschen Disput darüber, ab wann etwas eine Maschine ist – Faustkeil, Staubsauger oder Roboter – und stellen in erfrischender Perspektive die anthropologische Frage neu. Überhaupt stößt sich Gott an der demiurgischen Hybris der Menschen, als ob er nur mit diesem Planeten zu schaffen hätte. Seine Geschöpfe könnten im Übrigen ihre Angelegenheiten auch mal alleine regeln und Gott Gott sein lassen. Immerhin hat auch ein solcher ganz gern mal seine Ruhe, was sicherlich seine menschlichste Eigenschaft ist.

Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. – Ahnes Zwiegespräche mit Gott ist ein durch und durch ironisches Buch, in dem immer wieder Körnchen der Weisheit schillern. Die beigefügte Audio-CD beinhaltet 16 vertonte Dialoge, was den doppelten Spaßfaktor garantiert. Den hübsch absurden Geschichten kann höchstens eines vorgeworfen werden: Eine liebevolle Blasphemie, weshalb auch der Klappentext augenzwinkernd vor religiös-ereifernden Schnellschüssen warnt. Wer sollte aber – allen Ernstes – etwas an diesen vergnüglichen und segensreichen Einsichten auszusetzen haben? In diesem Sinne: „Tschüss Gott. Danke Ahne!“

Ahne: Zwiegespräche mit Gott
Buch & Audio-CD
Verlag Voland & Quist
Dresden 2007
144 S. & 75. Min. – 13,90 €
www.voland-quist.de

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